Der Totengarten
Auseinandersetzung, während Tate eher wie ein junger Mann auf dem Weg zu einem Club oder einer Modenschau aussah, nicht wie ein Gangster, der im Begriff war, einen Widersacher einzuschüchtern.
Benjamin war eng mit Tates älterem Bruder befreundet gewesen – William, mit Spitznamen Dink, damals, als sie beide noch richtig im Geschäft waren. Dink hatte während Benjamins Prozess zu ihm gehalten, und ihm verdankte Benjamin die milde Strafe, mit der er davongekommen war. Weil jemand anders Dink in den Rücken gefallen war und weil er als Zeuge nicht kooperieren wollte, bekam Dink die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Benjamin würde nie vergessen, was Dink für ihn getan hatte. Er schickte Dinks Mutter regelmäßig etwas Geld und gab seinem jüngeren Bruder Mikey Arbeit, obwohl dieser nicht für den Job geeignet war. Er beschäftigte Tate hauptsächlich in seinem Autohandel, nahm ihn zu Auktionen mit und ließ ihn die Wagen aufpolieren, bevor sie ausgeliefert wurden. Bei einer Angelegenheit wie dieser hatte er ihn noch nie eingesetzt.
Tate und Henderson setzten sich auf die Rückbank von Benjamins S500. Es war ein makelloser, geräumiger schwarzer Wagen mit hellbrauner Innenausstattung aus Echtholz und Leder und zwei Bildschirmen. Benjamin brauchte den Platz, denn er war ein sehr großer, breitschultriger Mann.
»Ich höre«, sagte Benjamin.
»Das Mädchen ist zu Fuß den Schotterweg da reingegangen«, berichtete Henderson. »Mikey hat sich durch den Wald rangepirscht. Er kann dir erzählen, was er gesehen hat.«
»Zwei Häuser«, sagte Tate. »Eins gleich am Ende der Zufahrt, das andere etwas abgelegen. Sie ist in das hintere gegangen.«
»War jemand in dem ersten Haus?«
»Soweit ich sehen konnte, nicht. Jedenfalls standen keine Autos davor.«
»Die parken anscheinend sowieso alle hier draußen«, bemerkte Benjamin.
»Weil die Zufahrt eine Sackgasse ist«, sagte Tate.
»Der Mann ist vorsichtig«, stellte Benjamin fest, den Blick im Rückspiegel auf Tate gerichtet. »Kommt man durch den Wald dorthin?«
»Auf beiden Seiten stehen Bäume, bis nach hinten zu dem zweiten Haus. Dahinter auch.«
»Um diese Tageszeit setze ich keinen Fuß in den Wald«, sagte Benjamin. Er fürchtete keinen Menschen, aber vor Schlangen hatte er Angst.
»Wir könnten warten«, schlug Henderson vor. »In einer Stunde ist es völlig dunkel, dann können wir einfach die Zufahrt entlanggehen.«
»Wir müssen die Sache jetzt durchziehen«, widersprach Benjamin. »Ich will hier nicht mit Waffen im Auto rumsitzen. Ihr habt eure doch dabei?«
»Wir sind für alles gerüstet«, erwiderte Henderson und zog sein blaues Hemd hoch, so dass das karierte Griffstück einer 9-Millimeter-Beretta sichtbar wurde, die er unter seiner Jeans trug. Tate nickte nur; er hatte nicht das Bedürfnis, Benjamin seine Waffe zu zeigen.
»Also gut«, sagte Benjamin, den Blick noch immer auf Tate gerichtet. »Mikey, du gehst als Erster und sicherst die Rückseite des Hauses.«
»In Ordnung.«
»Wenn dieses Mädchen oder irgendjemand sonst rauskommt, weißt du, was du zu tun hast.«
»Geht klar, Ray, keine Sorge.«
»Dann los. Wenn es vorbei ist, sieh zu, dass du wegkommst. Wir treffen uns hier bei den Fahrzeugen.«
Benjamin und Henderson sahen Tate nach, der die Hill Road entlangtrabte und dann nach rechts in den Wald einbog.
»Er hat es einfach nicht drauf«, bemerkte Henderson.
»Aber du«, erwiderte Benjamin.
Henderson glühte vor Stolz. »Ich fühle mich geehrt, Ray. Wirklich.«
»Diese Wichser haben mich abgezogen und auf meinen Neffen geschossen.«
»Wie gesagt, ich bin zu allem bereit.«
»Halte diese Einstellung noch zehn Minuten«, sagte Benjamin. »Erst soll der Junge auf seinem Posten sein. Dann gehen wir rein.«
Nachdem Grady Dunne die Hotelbar verlassen hatte, folgten Holiday und Cook ihm zurück in den Distrikt. Diesmal übernahm Holiday die Beschattung. Sie tauschten über Punk Vermutungen darüber aus, wohin er wohl unterwegs war. Dunne fuhr eine ganze Weile lang gemächlich durch die Stadt. Schließlich erreichte er die Kenilworth Avenue und dann die Minnesota nach Southeast.
»Er fährt aus der Stadt raus«, stellte Holiday fest, als Dunne von der Minnesota Avenue abfuhr und sich auf die East Capitol einfädelte, in Richtung der Grenze zu Maryland.
Weit innerhalb des Beltway in Prince George’s County wurde die East Capitol zur Central Avenue. Sie befanden sich jetzt an der Grenze zwischen Seat Pleasant und Capitol
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