Der Totengarten
weit kommen zu lassen.
Als Dunne ein Stück voraus vor ihm an einer roten Ampel abbremste, beschleunigte Holiday, wechselte auf die linke Spur, kam neben Dunnes Wagen zum Stehen und ließ die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter. Dann hupte er kurz.
Dunne sah durch sein offenes Fenster mit ausdruckslosen Augen zu ihm hinüber. »Was ist?«
»Ihr rechter Hinterreifen verliert Luft«, sagte Holiday. »Ich wollte Sie nur darauf hinweisen.«
Ohne ihm zu danken, sagte Dunne etwas in sein Handy, beendete das Gespräch und ließ das Gerät auf den Beifahrersitz fallen.
Als die Ampel auf Grün umschaltete, fuhr Dunne los. Wenig später hielt er rechts am Straßenrand, neben einer Imbissbude, wo der Randstreifen etwas breiter war. Holiday bremste ebenfalls und stellte seinen Town Car hinter Dunnes Geländewagen ab. Er schaltete Handy und Funkgerät aus. Dunne war bereits ausgestiegen, um sich den Reifen anzusehen. Holiday öffnete die Tür seines Lincoln und ging auf ihn zu. Im Gehen griff er nach seiner Brieftasche. Als Dunne sich flüchtig umsah und die Bewegung bemerkte, glitt seine Hand automatisch an den Griff der Pistole, die er im Rückenhalfter trug.
Er zog die Waffe nicht. Stattdessen stellte er sich breitbeinig in Position. Er war dünn und knapp eine Handbreit größer als Holiday. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, seine Augen auffallend hellblau.
»Hi«, grüßte Holiday, seine Brieftasche aufgeklappt in der Hand. »Keine Sorge. Ich will Ihnen nur meinen Ausweis zeigen.«
»Warum?«
»Lassen Sie mich erklären –«
»Der Reifen ist völlig in Ordnung«, stellte Dunne fest. »Warum haben Sie gesagt, dass er Luft verliert?«
»Ich heiße Dan Holiday.« Er zeigte Dunne seinen Führerschein und hielt die Brieftasche dabei so, dass sein alter Mitgliedsausweis vom Polizei-Berufsverband zu sehen war. »MPD, im Ruhestand. Sie sind auch bei der Polizei, nicht wahr?«
Dunne warf einen Blick zu dem Hispanier an der Imbissbude hinüber, der gerade eine Bestellung entgegennahm. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Holiday.
»Was wollen Sie?«
»Oglethorpe Street, Northeast. Der Gemeindegarten. Ich war am Mittwoch in den frühen Morgenstunden dort. Ich habe Sie in Ihrem Streifenwagen gesehen, mit jemandem auf dem Rücksitz.«
Dunnes Augen verrieten, dass er sich erinnerte.
»Und?«
»Sie wissen sicher, dass in derselben Nacht in diesem Garten die Leiche eines Jungen gefunden wurde.«
»Sind Sie mir etwa hierher gefolgt?«
»Ja, ganz recht. Ich bin Ihnen gefolgt.«
Dunne verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Der betrunkene Chauffeur, der seinen Rausch ausgeschlafen hat. Ich erinnere mich an Sie.«
»Und ich mich an Sie.«
»Was soll das hier werden, eine Erpressung? Dann gehe ich nämlich lieber gleich zu meinen Vorgesetzten und erzähle ihnen selbst, dass ich in der Nacht da war, ehe ich Ihnen auch nur einen verdammten Cent gebe. Ich habe nichts zu verbergen.«
»Ich will kein Geld.«
»Was wollen Sie dann von mir?«
»Ein Kind wurde getötet. Ich suche nach Erklärungen.«
»Sie sind wohl einer von diesen armseligen Wichsern, die den ganzen Tag den Polizeifunk mithören.«
»Wussten Sie von dem Jungen, als Sie in der Nacht dort waren?«
Dunne schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Ich habe es erst am nächsten Tag erfahren.«
»Und warum haben Sie sich nicht gemeldet, als er gefunden wurde?«
»Wozu?«
»Sie sind Polizist.«
»Ich hab Ihnen doch gerade gesagt, zu dem betreffenden Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung. Also hätte ich auch keine Informationen zu dem Fall beitragen können.«
»Wenn Sie mich da in meinem Wagen gesehen haben«, sagte Holiday, »und den Eindruck hatten, dass ich betrunken war, warum haben Sie dann nicht angehalten und mich überprüft?«
»Ich war beschäftigt.«
»Was haben Sie denn da in der Sackgasse gemacht, mit einer weiteren Person in Ihrem Wagen?«
»Wer sind Sie, zum Teufel?«
»Ein besorgter Bürger.«
»Lecken Sie mich am Arsch.«
»Was haben Sie dort gemacht?«
»Mir von einer Nutte einen blasen lassen. Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Sie sind kein Cop«, sagte Holiday mit unverhohlener Abscheu.
Dunne lachte und trat dicht an Holiday heran. Holiday erkannte den traurigen und vertrauten Geruch von Wodka, überdeckt von Pfefferminzpastillen.
»Sonst noch was?«, fragte Dunne.
»Kennen Sie einen Reginald Wilson?«
Holiday blickte Dunne in die Augen. Darin war nichts zu sehen, kein Zeichen von Wiedererkennen.
»Wen?«
»Die
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