Der Totengarten
Kochtopf. Der Knoblauch und die Zwiebeln, die im Olivenöl brutzelten, begannen sich zu bräunen.
»Du hast die Flamme zu hoch aufgedreht«, sagte Ramone. »Du verbrennst den Knoblauch. Und die Zwiebeln sollen glasig werden, nicht schwarz.«
»Lass mich.«
»Man dreht die Flamme nur zum Wasserkochen ganz auf.«
»Bitte.«
»Machst du eine Soße?«
»Ja.«
»Die von meiner Mutter?«
»Meine eigene.«
»Ich mag die Soße von meiner Mutter«, sagte Ramone.
»Dann hättest du deine Mutter heiraten sollen.«
»Sei so lieb, stell die Flamme kleiner, ja?«
»Du, geh, sieh nach deinem Sohn.«
»Das hatte ich gerade vor. Was ist eigentlich heute passiert?«
»Er sagt, er wusste nicht, dass sein Handy eingeschaltet war. Einer von seinen Freunden hat ihn angerufen, als er gerade von der Toilette kam, und Mr. Guy hat es gehört.«
»Mr. Guy, dieser Held.«
»Gus …«
»Na wirklich, jemand, der so heißt, muss doch ein Problem haben.«
»Er ist nicht der männlichste Typ auf Erden, da hast du recht.«
»Und für so was wollte er Diego suspendieren?«
»Wegen Aufsässigkeit. Er hat sich geweigert, sein Handy herauszugeben.«
»Sie hätten es gar nicht erst von ihm verlangen sollen.«
»Ich weiß«, sagte Regina. »Aber so sind nun mal die Vorschriften. Wie auch immer, ich finde, du musst schon so tun, als ob du ärgerlich auf ihn wärst. Wenigstens ein bisschen.«
»Ich ärgere mich viel mehr über diese Schule.«
»Ich ja auch.«
»Also gut, ich werde mit ihm reden.« Ramone beugte sich über den Herd. »Weißt du, dieser Knoblauch wird noch völlig verkohlen.«
»Geh zu deinem Sohn.«
Ramone küsste ihren Hals, dicht unter dem Ohr. Sie roch ein wenig verschwitzt und auch süß. Das war das Körperöl, das sie gern benutzte; es hatte einen leichten Himbeerduft.
Im Hinausgehen sagte Ramone: »Dreh die Flamme ein bisschen runter.«
»Du kannst die Flamme selbst runterdrehen«, entgegnete Regina. »Und zwar an dem Tag, an dem du hier kochst.«
Ramone ging den Flur entlang, hinter sich die Gesänge der Thunderbirds und der Pink Ladies, und ging nach oben.
Er bezweifelte inzwischen, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, Diego auf eine Schule draußen in Montgomery County zu schicken, doch er hatte keine andere Möglichkeit gesehen. Ramone und Regina waren sich darüber einig gewesen, dass die öffentliche Schule ihres Bezirks in D.C. inakzeptabel war. Das Gebäude müsste renoviert werden, und auch die Ausstattung war mehr als dürftig; häufig gab es nicht einmal Bleistifte und Papier. Die schwache Innenbeleuchtung – viele Leuchtstoffröhren waren defekt oder fehlten ganz –, die Metalldetektoren und Wachleute an den Eingängen verliehen dem Bau die Atmosphäre eines Gefängnisses. Sicher, derzeit floss jede Menge Geld in das Schulsystem von D.C., aber verdächtig wenig davon kam tatsächlich bei den Schülern an. Und die Kids selbst hatten Probleme, sowohl in der Schule als auch außerhalb. Viele Eltern in diesem Schulbezirk hatten zwei Jobs, waren allein erziehend oder interessierten sich einfach nicht für das Leben ihrer Kinder, und so waren einige in Gefahr, ernsthaft auf die schiefe Bahn zu geraten. Das war nicht das richtige Umfeld für Diego, denn er war kein Schüler, der sich selbst motivierte, sondern eher sogar anfällig für schlechte Einflüsse.
Gus Ramone hatte all das mit seiner Frau durchgesprochen, ausgiebig und unter vier Augen. Letztendlich hatten sie gemeinsam entschieden, dass eine andere Atmosphäre Diego guttäte. Doch selbst zu dem Zeitpunkt, als Regina von einem Schulwechsel überzeugt gewesen war, zweifelte Ramone an seinen eigenen Motiven, Diego aus dem öffentlichen Schulsystem von D.C. herauszunehmen. Die Tatsache, dass die Schüler in ihrem eigenen Bezirk fast ausnahmslos Schwarze oder Hispanier waren, machte ihm ein schlechtes Gewissen.
Dennoch hatten sie schlussendlich den Schulwechsel arrangiert. Dazu hatte es einer List bedurft, denn sie mussten einen Wohnsitz in Montgomery County nachweisen. Ramone hatte bereits Vorjahren – 1990, als Regina noch unterrichtete und sie über zwei Einkommen verfügten – im damals heruntergekommenen Stadtgebiet von Silver Spring für hundertzehntausend eine Immobilie gekauft, kaum mehr als eine Hütte. Er hatte das Häuschen an einen Dachdecker aus Guatemala mit seiner kleinen Familie vermietet. Für diese Adresse hatten er und Regina jetzt einen Telefonanschluss in Maryland beantragt; die Anrufe wurden zu ihnen nach
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