Der Totengarten
ist. Ich bin in Ruhestand gegangen, ohne die Palindrom-Morde aufgeklärt zu haben. Ein großartiger Abgang, wie? Ich habe mein Bestes gegeben. Aber wir sind dem Mörder einfach nicht auf die Spur gekommen, sosehr wir es auch versucht haben.
Die Kinder waren nicht dort ermordet worden, wo man die Leichen fand. Und sie waren umgezogen worden, die Kleidung war neu. Das hat der Spurensicherung die Arbeit sehr erschwert. Alle hatten Sperma und Gleitmittel im Rektum. Bei keinem gab es Hinweise auf Gegenwehr oder fremdes Gewebe unter den Fingernägeln. Für mich bedeutet das, der Täter hat das Vertrauen seiner Opfer gewonnen oder sie wenigstens davon überzeugt, dass ihnen nichts geschehen würde. Auf die eine oder andere Art hat er sie verführt.
Alle lebten in Southeast. Alle waren von der Straße weg verschwunden, auf dem Weg zum Kiosk an der Ecke oder zum nächsten Supermarkt. Niemand hat gesehen, wie sie in ein Auto stiegen. Damals war es noch ungewöhnlich, dass sich keine Zeugen meldeten, denn die Leute hatten ein Auge auf die Kinder in ihrer Nachbarschaft. Wir hatten zehntausend Dollar Belohnung für Hinweise ausgesetzt. Eine Menge Spinner haben angerufen, aber niemand, der irgendetwas gewusst hätte.
Es musste ein Schwarzer sein, sonst wären diese schwarzen Jugendlichen nicht zu ihm ins Auto gestiegen. Außerdem dachte ich mir, es müsste jemand mit Autorität sein. Ein Polizist, einer vom Militär, von der Feuerwehr oder sonst jemand in Uniform. Manche behaupteten, dass es ein Taxifahrer war, der anbot, die Kids umsonst mitzunehmen, aber das habe ich nie geglaubt. Großstadtkinder wären auf so etwas nicht reingefallen. Ein Polizist oder Möchtegern-Polizist wäre auch am ehesten auf die Idee gekommen, den Opfern neue Kleidung anzuziehen, alle Spuren zu beseitigen und die Leichen an verschiedenen Orten abzulegen. Ihm musste klar sein, wie sehr das die Ermittlungen erschwert. Vor allem der Möchtegern-Gedanke hat sich bei mir festgesetzt.
Wir haben den Freundeskreis überprüft, Lehrer, Liebschaften, potenzielle Sexualpartner. Ich bin sogar ins Saint Elizabeths gegangen und habe mit den gewalttätigen Sexualstraftätern gesprochen, die zu der Zeit dort waren. Die Gemeingefährlichen waren gut weggesperrt, konnten also die Morde gar nicht begangen haben, aber ich habe sie trotzdem befragt. Zombies auf Medikamenten waren die, nichts weiter. Also wieder Fehlanzeige.
Bei dem ersten Mord bekam ich den Fall übertragen, ich und dieser Weiße vom Morddezernat, Chip Rogers, der damals so etwas wie mein Partner war. Chip ist inzwischen gestorben. Nachdem die zweite Leiche gefunden wurde, haben sie noch ein paar Ermittler für den Fall abgestellt. Schließlich, nach dem dritten Mord und all den Zeitungsberichten, hat der Bürgermeister angeordnet, dass eine Kommission aus zwölf Detectives ausschließlich an diesen Fällen arbeitete. Ich habe die Einheit geleitet. Wir haben bei den Beerdigungen der Kinder kilometerweise Film verschossen und gehofft, dass der Mörder sich zeigt. Rund um die Uhr waren an sämtlichen Gemeindegärten im Distrikt Streifenwagen postiert. Ich selbst habe manchmal nachts meinen Wagen in der Nähe eines Gartens geparkt und einfach dagesessen und gewartet.
Manche Leute haben behauptet, wir würden intensiver an den Morden arbeiten, wenn die Opfer Weiße gewesen wären. Das hat mich tief verletzt, nach allem, was ich durchgemacht hatte, um mich als Schwarzer bei der Polizei hochzuarbeiten. Erst war ich angeblich nicht schlau genug, um Polizist zu werden, dann nicht erfahren genug fürs Morddezernat. Außerdem war meine Tochter damals etwa im selben Alter wie diese Kids. Denken Sie vielleicht, das hätte mir nicht zugesetzt? Und der Witz war: Die damaligen Aufklärungsquoten von Verbrechen an Schwarzen und an Weißen in der Stadt waren genau gleich hoch. Wir haben an allen Fällen hart gearbeitet. Wir haben sie alle gleich behandelt.
Und dann hörten die Palindrom-Morde einfach auf. Manche sagten, der Mörder sei krank geworden und gestorben oder habe Selbstmord begangen. Andere haben vermutet, dass er wegen eines anderen Verbrechens ins Gefängnis gekommen war. Ich weiß es nicht. Aber eins sage ich Ihnen: Ich denke immer noch jeden verdammten Tag darüber nach.«
»Ich wollte Sie nicht kränken«, sagte Holiday.
Cook blickte ihm fest in die Augen. »Warum sind Sie hier?«
»Zuerst muss ich Ihnen eines sagen: Ich bin nicht im Ruhestand vom MPD.«
»Das dachte ich mir. Sie sind zu
Weitere Kostenlose Bücher