Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
Vom Netzwerk:
Man kann es drehen und wenden, wie man will, da läuft einfach etwas völlig verkehrt.«
    »Als ich beim Morddezernat anfing«, sagte Ramone, »gab es zwanzig Detectives, die im Jahr vierhundert Mordfälle bearbeitet haben. Das macht zwanzig Fälle pro Person und Jahr. Jetzt haben wir achtundvierzig Detectives, und jeder bearbeitet vier oder fünf Morde im Jahr. Aber die Aufklärungsquote ist niedriger als damals, als ich angefangen habe.«
    »Keine Zeugen«, warf Holiday ein. »Es sei denn, das Opfer ist ein Kind oder ein älterer Mensch. Und selbst dann ist fraglich, ob sich jemand meldet.«
    »Niemand redet mehr mit der Polizei«, pflichtete Cook ihm bei und tippte mit dem Finger auf die Tischplatte. »Ich sag’s ja. Ein Stadtteil kann nur sicher sein, wenn die Bewohner mit dem Gesetz zusammenarbeiten.«
    »Das ist vorbei«, sagte Holiday. Er trank einen großen Schluck Bier, dann zog er an seiner Zigarette und klopfte die Asche ab.
    Sie tranken die nächste Runde, noch einmal das Gleiche. Ramone spürte den Alkohol inzwischen. Er hatte seit langem nicht mehr so viel getrunken.
    »›Monkey Jump‹«, stellte Cook fest, als aus der Wurlitzer ein kraftvolles Instrumentalstück ertönte. »Junior Walker und die All-Stars.«
    »Nett hier«, bemerkte Ramone, der sich umsah und die verschiedenen Altersgruppen und Typen im Raum wahrnahm.
    »Gus steht auf multikulti«, kommentierte Holiday »Halt den Mund, Doc.«
    »Eins muss man dem Leo’s lassen: Hier drin kann man wirklich interessante Frauenbekanntschaften machen«, sagte Holiday. »Seht euch nur mal die da an.«
    Eine junge Frau ging quer durch die Bar. Sie war groß und hatte ein wohlgeformtes Hinterteil, das viele der anwesenden Männer interessiert betrachteten.
    »Die würde ich gern mal nageln«, sagte Holiday.
    »Nette Ausdrucksweise«, kommentierte Ramone.
    »Ich steh eben auf Lakritz. Da ist doch nichts Schlimmes dran.«
    Ramone trank seine Bierflasche bis zur Hälfte leer.
    »Was ist los, Giuseppe, bin ich dir auf den Schlips getreten? Oder denkst du, eine Farbige würde sich nicht mit einem Mann wie mir einlassen wollen?«
    Ramone wandte den Blick ab.
    »Gus ist nämlich mit so einer Schwester verheiratet, hat er Ihnen das erzählt?«, fuhr Holiday an Cook gewandt fort.
    »Halt die Klappe, verdammt, Holiday«, sagte Ramone müde und ohne Drohung in der Stimme.
    »Sagten Sie gerade, er ist mit Ihrer Schwester verheiratet?«, erwiderte Cook, um die Situation zu entschärfen.
    »Meine Schwester ist tot«, versetzte Holiday »Sie ist an Leukämie gestorben, als sie elf Jahre alt war.«
    »Das ist einer seiner Scherze«, sagte Ramone zu Cook. »Damit hat er mich schon reingelegt, als wir noch in Uniform waren. Damals war er auch nicht komischer als jetzt.«
    »Das war kein Scherz«, sagte Holiday.
    Ramone und Cook warteten darauf, dass er weitersprach, aber Holiday schwieg.
    Cook räusperte sich. »So, Sie sind also mit einer Schwarzen verheiratet, Gus?«
    »Heute Morgen war sie’s noch.«
    »Und wie läuft das?«
    »Ich denke, sie wird es noch eine Weile mit mir aushalten.«
    »Keine Probleme?«, fragte Holiday.
    »Ein paar«, räumte Ramone ein.
    »Nur ein paar?«, hakte Holiday nach. »Ich hab Gerüchte gehört, ihr hättet, wie sagt man, in Treuefragen gewisse Schwierigkeiten gehabt.«
    »Ich scheiß auf deine Gerüchte. Von wem hast du das, von deinem Freund Ramirez?«
    »Ich weiß nicht mehr, kann sein. Es machte eben die Runde.«
    »So ein Schwachsinn.«
    »Johnny hat erzählt, dass du ihn heute in der Academy besucht hast.«
    »Ja, ich war bei ihm. Ramirez hatte seinen rosa Gürtel um. Hat den Rekruten beigebracht, wie man Schläge blockt. Die richtige Haltung und so. Das ist auch so ein Typ, der es bis ganz weit nach unten geschafft hat.«
    »Du meinst, so wie ich.«
    »Das hab ich nicht gesagt.«
    »Du könntest den Job noch zwanzig Jahre machen und würdest doch nie ein solcher Polizist sein, wie ich einer war.«
    »Du solltest nicht so viel trinken, Doc. Sonst wirst du größenwahnsinnig.«
    »Und welche Entschuldigung hast du für deinen Größenwahn?«
    Ramone stand auf. »Ich muss mal pinkeln«, sagte er und verschwand im Flur.
    Cook hatte den Schlagabtausch verfolgt, hatte das gezwungene Grinsen beobachtet, die verkrampften Kiefermuskeln. Jetzt war Holiday wieder entspannt, die Hände locker um die Bierflasche gelegt.
    »Sie haben ihn ziemlich angegangen«, bemerkte Cook.
    »Der verträgt das schon, er hat ein dickes Fell.«
    »Sie kennen

Weitere Kostenlose Bücher