Der Totengarten
seine Frau?«
»Ich bin ihr vor langer Zeit mal begegnet. Sie war auch kurz bei der Polizei. Attraktive Frau. Clever. Ich hab gehört, sie haben auch zwei hübsche Kinder.«
»Und wo liegt das Problem?«
»Es gibt keins. Ich ärgere ihn einfach gern mal. Bloß weil der Typ eine Schwarze geheiratet hat, hält er sich gleich für Hubert H. Humphrey persönlich.«
»Er hat nicht damit angefangen. Das waren Sie.«
»Ich treibe nur ein bisschen Spaß mit ihm«, sagte Holiday. »Weiter nichts.«
Ramone kam von der Toilette zurück, doch er setzte sich nicht wieder und trank auch sein Bier und den Schnaps nicht aus. Stattdessen zückte er seine Brieftasche und legte fünfundzwanzig Dollar auf den Tisch.
»Das sollte reichen«, sagte Ramone. »Ich gehe.«
»Eins würde mich noch interessieren«, hielt Cook ihn zurück. »Sie haben nichts darüber gesagt, ob Sie jemanden verdächtigen.«
»Ich weiß bisher einfach noch nicht genug«, erwiderte Ramone. »Das ist bei Gott die reine Wahrheit. Aber hören Sie – Sie halten sich von jetzt an raus, ja? Das gilt auch für dich, Doc.«
Holiday und Cook nickten halbherzig. Es war nicht gerade ein Schwur.
»Es war mir ein Vergnügen, Sarge.« Ramone hielt Cook die Hand entgegen.
»Ganz meinerseits, Detective.«
Holiday streckte ebenfalls die Hand aus, und Ramone ergriff sie.
»Gus.«
»Doc.«
Sie sahen ihm nach, als er mit leichter Schlagseite die Bar verließ.
»Er weiß mehr, als er glaubt«, stellte Cook fest. »Es ist ihm nur noch nicht bewusst.«
»Ich hätte immer noch nichts dagegen, ihm zuvorzukommen«, sagte Holiday.
»Nun, wir haben nicht direkt gesagt, dass wir uns heraushalten werden.«
»Hat er uns etwas gefragt? Ich habe nur so zur Musik genickt.«
»Ich auch.«
»Noch ein Bier?«
»Ich hatte genug«, erwiderte Cook, den Blick auf dieselbe Frau gerichtet, über die Holiday vorhin eine Bemerkung gemacht hatte. »Holen Sie sich ruhig noch eins. Ich bleibe einfach hier sitzen und träume vor mich hin.«
Ramone fuhr durch die Seitenstraßen nach Hause, etwas forsch und viel zu schnell. Manche waren vorsichtiger, wenn sie getrunken hatten, Ramone hingegen war durch Alkoholeinfluss schon immer aggressiv und nachlässig geworden. Verdammt, sollte ihn doch so eine Uniform vom 4D anhalten. Er würde seine Dienstmarke zeigen und weiterfahren.
Ramone war nicht wütend auf Holiday. Die Bemerkungen über seine Frau waren nichts als dumme, billige Sprüche; sie hatten nicht Regina gegolten. Holiday hatte vielmehr Ramone unterstellt, er habe eine Schwarze geheiratet, um ein Statement zu machen. Das war völlig abwegig. Er hatte sich rein zufällig gerade in Regina verliebt. Sie beide hatten Glück, dass sie gut zusammenpassten, das war wichtig für eine dauerhafte Beziehung, und so hatte ihre Ehe gehalten.
Ramone hatte schon lange kaum mehr an ihre unterschiedliche Hautfarbe gedacht, mindestens seit der Geburt ihrer Kinder nicht mehr. Durch Diego und Alana war alles, was damit zusammenhing, nichtig geworden.
Dabei war Ramone nicht etwa »farbenblind«, wie manche Weißen von sich behaupteten. Aber bei seinen Kindern nahm er die Hautfarbe einfach nicht wahr. Außer dass er sie natürlich wunderschön fand.
Es stimmte: In den späten 80ern, als sie heirateten, waren sie gelegentlich auf negative Reaktionen gestoßen, bei Feiern und auch in der Öffentlichkeit. Ramone und Regina hatten sich darauf geeinigt, sich von allen, die ablehnend reagierten, einfach zu distanzieren. Sie hatten beide nicht das Bedürfnis, Leuten, die an solchen Denkweisen festhielten, entgegenzukommen oder »Verständnis« für sie aufzubringen.
Sie waren selbst ja auch nicht gänzlich frei davon. Ramone gab offen zu, dass er Überreste rassistischer Vorurteile in sich hatte, die er wohl nie loswerden würde, genau wie Regina. Sie waren nun einmal Kinder ihrer Zeit und der Erziehung. Aber sie hofften auch, dass die nächste Generation viel weniger Vorurteile haben würde, deshalb standen die Chancen auf eine starke und intakte Familie gut. Und ihre Hoffnungen schienen sich erfüllt zu haben. Ramone bemerkte selten jemanden, der zweimal hinsah, wenn er mit seiner Frau und seinen Kindern in D.C. unterwegs war. Und wenn, begriff er meist gar nicht auf Anhieb, dass die unterschiedliche Hautfarbe der Grund dafür war. Sein erster Gedanke war eher: Ist mein Reißverschluss offen? oder: Habe ich etwas zwischen den Zähnen?
Natürlich war ihm klar, dass seine Kinder draußen in der Welt
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