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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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Arbeiter in den Konservierungslagern und die Salzhändler dazurechnete. Darum richtete sich Cis Hoffnung nun auf ein anderes Detail: die kleine geschwungene Flamme, die unter dem Daumen tätowiert war. Bo versprach, sich um ihre Identifizierung zu kümmern.
    Zuletzt stand der Besuch in der Werkstatt des Bronzefabrikanten an, von dem Ci sich schlüssige Beweise erhoffte. Er beauftragte zwei von Bos Männern, die Hand in den Palast zu bringen, während er sich zusammen mit Bo auf den Weg in das Hafenviertel im Süden der Stadt begab.
    Als sie die Adresse erreichten, die Kan ihnen gegeben hatte, wurde Ci blass. An der Stelle, wo bis gestern die wichtigste Bronzewerkstatt der Stadt gestanden hatte, bot sich jetzt ein Bild der Zerstörung: Zwischen Balken und Ziegelsteinen glühten Reste von Asche und geschmolzenem Metall.
    Die Nachbarn erzählten von einem wütenden Feuer, das im Morgengrauen ausgebrochen sei, andere sprachen von dem Krach, als das Gebäude in sich zusammenbrach. Doch etwas Relevantes wusste niemand zu berichten. Plötzlich entdeckte Ci einen Jungen mit klugem Gesicht, der in der Nähe herumstrich. Der Kleine war nur Haut und Knochen, und als Ci ihn ansprach, bot er für zehn Qian Informationen aus erster Hand an. Ci schenkte ihm zusätzlich eine Handvoll gekochten Reis, den er an einem benachbarten Stand kaufte. Hungrig stürzte sich der Junge auf das Essen und berichtete zwischen zwei Bissen, dass dem Feuer ein lautes Geräusch vorausgegangen sei, mehr konnte er nicht sagen. Ci wolltesich schon enttäuscht zum Gehen wenden, als der kleine Kerl ihn am Arm packte.
    »Aber ich weiß von jemandem, der alles beobachtet hat.«
    Der Junge erzählte, dass einer seiner Bettlerfreunde seit Jahren in einem der Werkstattschuppen schlief.
    »Er hat ein lahmes Bein. Darum verlässt er nie seinen angestammten Ort, an dem er bettelt. Als ich heute Morgen hier ankam, fand ich ihn in seinem Schuppen dort hinten, versteckt wie eine Ratte in ihrem Bau. Er sah aus, als habe er den Gott des Todes gesehen. Er sagte mir, er müsse fliehen, denn wenn sie ihn fänden, würden sie ihn töten.«
    »Aha«, meinte Ci wenig überzeugt. »Sagte er zufällig auch, wer ihn töten wollte?«
    »Ich schwöre Euch, er war vollkommen verängstigt. Und er hat die Verwirrung genutzt, um unbemerkt abzuhauen. Er hat sogar seine Sachen liegenlassen … Herr, wenn es Euch interessiert, kann ich ihn finden.«
    Ci sah den kleinen Kerl prüfend an. Er wirkte verschlagen, doch in seinen Augen meinte Ci einen Funken Ehrlichkeit zu entdecken.
    »Gut. Bring ihn mir, und ich werde es dir lohnen.«
    »Herr, ich bin krank. Und wenn ich ihn suchen soll, kann ich nicht betteln gehen …«
    »Wie viel?«, fragte Ci streng.
    »Zehntausend Qian.« Doch als Ci sich abwandte, korrigierte er sich sofort: »Fünftausend.«
    Bo schüttelte den Kopf, als Ci ihn um die Münzen bat.
    »Er wird damit verschwinden, und du wirst ihn nie wieder sehen«, warnte der Kaiserliche Berater.
    »Bitte, gebt mir das Geld«, beharrte Ci. »Es ist eine kleine Chance, mehr zu erfahren.«
    Bo seufzte und gab widerstrebend die Geldschnur aus derHand. Ci begann, dem Jungen das Geld in die Hand zu zählen, die Augen des Kleinen leuchteten, als sähe er einen Berg Gold vor sich. Doch das Leuchten verlosch, als er bemerkte, dass Ci bei fünfhundert Qian aufhörte.
    »Den Rest bekommst du, wenn du mir deinen Freund bringst.« Die Geldschnur verschwand wieder unter Bos Gewand. »Und ich warne dich, du wirst es bitter bereuen, wenn ich nichts mehr von dir höre.«
    Ci sagte ihm seinen Namen und wie er ihn finden konnte. Dann verschwand der Junge in der Menge.
    Bevor sie sich auf den Rückweg machten, suchte Ci in den Ruinen der Werkstatt nach Indizien, doch außer zerbrochenen Tiegeln, geschmolzenen Schmiedewerkzeugen und eingestürzten Öfen stieß er auf nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Kurioserweise fand er keine Gegenstände aus Bronze oder Behälter mit Kupfer und Zinn. Jemand musste sie gestohlen haben. Er schlug Bo vor, die Aussagen aller Arbeiter aufzunehmen, die in den letzten Monaten in der Werkstatt gearbeitet hatten, und überdies alle Überreste des Gebäudes – ausgenommen Balken und Ziegelsteine – in den Palast bringen zu lassen.
    »Egal, wie kaputt die Sachen sind. Jeder Gegenstand soll gekennzeichnet und sein Fundort notiert werden, bevor er in die Kisten verpackt wird.«
    »Kan wird es nicht gefallen, wenn du den Palast zur Mülldeponie machst«, wandte Bo

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