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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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dessen wert ist, was ich dir biete.«
    »Bao-Pao hat mir dreihundertfünfzigtausend geboten«, log Ci. »Ihn zu demütigen kostet Euch fünfzigtausend Qian zusätzlich.«
    »So weit kommt es noch, dass ich mir von einem Grünschnabel vorschreiben lasse, wie viel ich für ein Grundstück zu bezahlen habe!«, sagte der Reisherr.
    »Wenn Ihr es vorzieht, in Zukunft Bao-Paos reiche Ernten zu bewundern …«
    »Dreihunderttausend«, fiel der Grundbesitzer ihm ins Wort. »Und wenn du deinen Preis noch um ein einziges Reiskorn erhöhst, wird dich deine Unverschämtheit teuer zu stehen kommen.«
    Ci musste sich beherrschen, nicht sofort einzuschlagen. Dreihunderttausend Qian war der doppelte Preis dessen, was das Land tatsächlich wert war. Er gab sich zögernd, während der Reisherr den Handel auf der Stelle festschreiben wollte.
    Schließlich willigte Ci ein. Bevor sie den Kaufvertrag unterschrieben, vergewisserte sich der Alte, dass Ci das Land auch wirklich gehörte.
    »Macht Euch keine Gedanken. Das Gesetz ist auf meiner Seite. Da mein Bruder verurteilt ist, gelte ich als Stammhalter«, versicherte Ci.
    »Eine letzte Sache noch«, sagte der Reisherr und blickte Ci scharf an, während er ihm das Geld zuschob. »Ich werde das Gelände bis auf den letzten Mu nachmessen. Und wenn ein einziges Körnchen fehlt, wird es dir schlecht bekommen.«
    * * *
    Am Mittag machte sich Ci auf zum Markt, beladen mit den wenigen Besitztümern, die Mei Mei und ihm geblieben waren. Sie in zweitausend Qian zu verwandeln erwies sich als schwieriger, als einen Stein zum Schmelzen zu bringen. Schließlich gelang es ihm, die Summe vollzumachen, indem er auch den kleinen Schmortopf aus Eisen zum Verkauf anbot, ein Utensil, das er eigentlich zum Kochen hatte behalten wollen. Die Bücher erregten kein größeres Interesse, denn kaum jemand im Dorf konnte richtig lesen, aber immerhin nahm ein Mann sie ihm als Brennstoff ab, im Tausch gegen Obdach in einem leerstehenden Getreidespeicher.
    Ci behielt nur die Lebensmittel und das Strafgesetzbuch seines Vaters, das ihm wertvoller sein würde als das Nichts, das man ihm dafür anbot. Er wickelte seine karge Habe in ein altes Tuch und ging mit Mei Mei zu dem Getreidespeicher, in dem sie nun für eine Weile Unterschlupf finden konnten. Bevor er selbst noch einmal aufbrach, um sich um die Bestattung seiner toten Eltern zu kümmern, trug er der kleinen Schwester auf, den Schinken gut zu bewachen.
    »Vor allem vor den Katzen. Und wenn jemand kommt, dann schreist du. Verstanden?«
    Mei Mei nahm artig Haltung vor dem Schinken ein, und Ci musste unwillkürlich lächeln. Er verriegelte die Tür des Speichers und lief zur Scheune Bao-Paos, wo die Opfer des Unwetters geborgen lagen.
    Der Sarg seines Vaters war schon seit einiger Zeit gezimmert, wie es der Li Ji , das Buch der Riten, vorschrieb. Sobald man das sechzigste Lebensjahr vollendet hatte, mussten der Sarg und das Totengewand einmal im Jahr überprüft werden; nach dem siebzigsten Lebensjahr einmal im Vierteljahr, mit über achtzig einmal im Monat und ab neunzig einmal pro Tag. Sein Vater war zweiundsechzig geworden, seine Mutter hingegen nicht einmal fünfzig. Für sie musste er also einen Sarg kaufen.
    Er traf den Schreiner vor der Scheune an, im Gespräch mit den Angehörigen der anderen Opfer. Ci musste schlucken, als er den Preis hörte, den der Schreiner für seine Arbeit verlangte – aber er hatte keine Wahl.
    Er trat in den Schuppen und verbeugte sich vor den Leichnamen seiner Eltern. Dann wusch er ihre Körper mit Wasser und Stroh, beträufelte sie mit einem Tropfen Parfüm, das er sich heimlich von einem der Nachbarn borgte, und zog ihnen das Totengewand an. Er hatte keine Kerzen und keinen Weihrauch, doch er wollte glauben, dass seine Eltern dem keine Bedeutung beigemessen hätten. Traurig betrachtete er die Leichname, und während er für ihre Seelen betete, schwor er ihnen zugleich, sich um seine Schwester zu kümmern. Er blieb bei ihnen, bis die Frist, die ihm der Hüter für die Begnadigung seines Bruders gesetzt hatte, beinahe verstrichen war. Dann verabschiedete er sich still und verließ mit schwerem Herzen den Schuppen.Ein Diener führte Ci in die Privatgemächer des Hüters der Weisheit. Als der Hüter Ci sah, zog er eine Augenbraue hoch und befahl dem Dienstpersonal, sich zurückzuziehen.
    »Ein pünktlicher junger Mann.« Er lächelte falsch. »Nun, was bringst du für Neuigkeiten?«
    »Ich würde gern mit Euch noch einmal über meinen

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