Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
schaute sie wieder weg. Sie war ungefähr die schönste Frau, die er je gesehen hatte – was in Miami, das voll war von schönen Frauen, schon einiges zu sagen hatte.
Max wog seine Möglichkeiten ab. Er konnte sie ansprechen, aber wahrscheinlich würde sie sofort seine miese Laune spüren, und er fand nicht, dass einen Korb zu kassieren ein wünschenswerter Abschluss für einen ohnehin lausigen Abend war. Also aß er weiter und schaute stur geradeaus. Vor seinem inneren Auge sah er ihr Gesicht, wie man manchmal eine Weile lang die Sonne sieht, die sich auf der Netzhaut eingebrannt hat und sich Zeit lässt zu verblassen. Er sah ihr Nummernschild und prägte es sich automatisch ein. Sie lebte in Miami, der Civic war von 1975 oder 76, ein zuverlässiger, nicht protziger Wagen.
Als der Kellner ihr Essen brachte, riskierte Max einen kurzen Blick, um zu sehen, was sie bestellt hatte: ein kubanisches Sandwich mit Diätcola.
Wieder spielte er mit dem Gedanken, sie anzusprechen. Sie waren die einzigen Gäste draußen. Aber bevor er eine Entscheidung getroffen hatte, fing es an zu regnen. Mehrere riesige Tropfen platschten auf seinen Tisch und den Teller, dann plötzlich öffnete sich der Himmel, und es schüttete wie aus Eimern.
Max schnappte sich sein Bier und rannte auf den Eingang zu. Die Frau war vor ihm da, sie stand unter der Markise und aß ihr Sandwich.
»Hi«, sagte Max.
»Hallo«, antwortete sie. Höflich und distanziert. Von Nahem und im Licht sah sie noch umwerfender aus. Er musste sich ermahnen, sie nicht anzustarren, und schaute wieder geradeaus, wo der Regen auf die Tische prasselte. Er sah zu, wie sein Pappteller schnell davongeschwemmt wurde.
»Da schwimmt mein Abendessen«, sagte er. Sie antwortete nicht und biss in ihr Sandwich.
Er wartete, bis sie fertig gekaut hatte, dann versuchte er es noch einmal.
»Ganz schöner Wolkenbruch, was?«
»Allerdings«, sagte sie.
»Hatten Sie einen schönen Abend?«, fragte er.
»Einen kurzen. Eine Freundin von mir heiratet am Samstag, aber ich konnte nicht allzu lange bleiben, weil ich morgen arbeiten muss«, sagte sie und erwiderte seinen Blick. Bei aller Schönheit hatte sie eine erstaunliche Ernsthaftigkeit an sich. Er hörte einen leichten spanischen Akzent in ihrem Tonfall, der ansonsten reinstes Südstaatenamerikanisch war.
»Was machen Sie?«, fragte er.
»Ich bin Buchhalterin.«
»In der Innenstadt?«
»Richtig.«
»Bei welcher Firma?«
»Warum wollen Sie das wissen?«, fragte sie stirnrunzelnd, aber da war auch Neugier in ihrer Stimme und eine leise Belustigung.
»Ich arbeite auch da in der Gegend.« Max zuckte mit den Schultern. »Vielleicht kenne ich den Laden.« Er nahm einen Schluck Bier.
»Wie war das noch mit dem Alkohol am Steuer, Detective?«, fragte sie, und er verschluckte sich beinah.
»Ist es so offensichtlich?«
»Sie könnten auch ein Leuchtschild auf der Stirn tragen.« Sie lächelte und fuhr sich mit der Serviette über den Mund.
»Das ist mein erstes und einziges«, log er. »Ich bin unter der Promillegrenze, ich bin nicht im Dienst, und für Sie bin ich immer noch Detective Sergeant.« Lächelnd zwinkerte er ihr zu. »Wir legen Wert auf unsere Titel.«
»Verzeihung, Detective Sergeant«, sagte sie mit gespieltem Sarkasmus.
»Dieses Mal kommen Sie noch mit einer Verwarnung davon.«
Sie schob sich den letzten Bissen ihres Sandwichs in den Mund. Der Regen hatte nicht nachgelassen, es schüttete noch immer. Der Wasserstand um die Tische stieg.
»Wohnen Sie hier?«, fragte er.
»Ja, ganz in der Nähe«, sagte sie. »Und ich wünschte, ich hätte hier nicht angehalten.«
275
»Ich bin froh, dass Sie es gemacht haben«, sagte Max, ohne nachzudenken, und bereute es sofort, als ihm klar wurde, wie schmierig das klang. Er sah, wie ihr Lächeln erstarb, und beeilte sich, den Schleim wieder aufzuwischen. »Ich meine, sonst hätte ich ja niemanden zum Reden hier draußen.«
»Schon klar«, sagte sie und schaute zu ihrem Wagen. Es regnete so heftig, dass man nur wenige Meter weit sehen konnte. Ein Gully in der Nähe lief über und blubberte wie ein überaktiver Whirlpool.
»Und ihre Familie, wo kommt die her? Kuba?«
»Meine Mutter ist halb Kubanerin, halb Dominikanerin, mein Vater ist schwarz.«
»Schöne Mischung«, sagte Max. »Sprechen Sie zu Hause Spanisch?«
»Ich lebe nicht mehr bei meinen Eltern. Aber ja, als ich aufgewachsen bin, wurde zu Hause Spanisch gesprochen und überall sonst Englisch. Mein Vater hat extra
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