Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Musik.«
»Wo?«
»Little Havana. Nicht weit von mi casa .«
L’Alegría auf der South West 11th Avenue war ein Bar-Restaurant mit Disko im Keller. Max war schon oft daran vorbeigefahren, aber nie hineingegangen, war auch nie versucht gewesen. Von außen sah es wenig einladend aus, eher wie ein Laden, in dem die Bußgeldbescheide der Gewerbeaufsicht gerahmt an der Küchenwand hingen. Innen jedoch hatte es Stil: dunkler Holzfußboden, strahlend weiße Tischtücher, funkelndes Silberbesteck, Servietten in Serviettenringen und in der Mitte der Tische blaue und orangefarbene Windlichter.
Er überließ Sandra das Reden und stellte ihr Fragen, die ausführliche Antworten verlangten. Sie erzählte ihm in groben Zügen von ihrer Arbeit. Sie erzählte aus dem Büro, von ihren Chefs und Kollegen, den verschiedenen Cliquen und ihren Machtspielchen. Sie erzählte ihm, dass sie in absehbarer Zeit jemanden aus ihrem Team würde entlassen müssen und wie sehr ihr davor graute. Max musste an Joe denken. Und an Tanner Bradley und dass er ihn nicht hatte umbringen wollen. Dann verjagte er das Bild, indem er zu einem Pärchen hinüberschaute, das Seite an Seite an einem Tisch saß und Händchen hielt, doch was er sah, war wieder nur der letzte, erstarrte Händedruck von Neptune und Crystal.
Sandra bemerkte seinen veränderten Gesichtsausdruck.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie.
»Ja, alles gut«, log er. »Und du?«
»Tanzt du?«
»Wie ein Gringo.«
»Rassist!« Sie lachte.
Sie gingen nach unten in den Klub. Es war sehr dunkel und sehr voll, alle waren in Bewegung, alle tanzten diesen elenden Casinotanz zu dieser elenden Saldisco-Musik. Max verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Sandra nahm seine Hand und versuchte ihm ein paar Schrittfolgen beizubringen, aber er schaffte kaum die ersten Schritte und war betrunkener, als er gedacht hatte, weil er auf der Stelle wieder vergaß, was er tun sollte, und noch einmal ganz von vorn anfangen musste.
»Du hast recht«, schrie sie ihm ins Ohr, um den galoppierenden Bass und die trommelfellzerreißenden Hörner zu übertönen, die aus den Lautsprechern dröhnten. »Du tanzt wirklich wie ein Gringo.«
Dann wurde die Musik langsamer, der DJ hatte eine spanische Ballade aufgelegt, die Max an Julio Iglesias erinnerte, wie alle spanischen Schnulzen. Sandra schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich, und sie tanzten eng, Körper an Körper, Auge in Auge. Er spürte ihre Wärme auf seiner Haut, ihre anmutigen Bewegungen, denen er stets einen halben Takt hinterher war. Sie hatte ihm die Arme um den Hals gelegt, streichelte ihm den Nacken und lächelte. Seine Hände lagen locker auf ihrer Taille, und er musste sie ermahnen, von Sandras Po fernzubleiben. Der perfekte Augenblick für einen Kuss, doch als er sich gerade zu ihr beugte, drehte der DJ den Beat wieder hoch, und ein weiterer Saldisco-Klassiker kündigte sich mit kreischenden Hörnern an und platzte in ihre traute Zweisamkeit hinein wie ein betrunkener Verwandter, der unbedingt beachtet werden will.
»Willst du hier raus?«, fragte sie.
»Bitte«, sagte er.
Sandra lebte in einer Dreizimmer-Eigentumswohnung in dem rosa und blau gestrichenen Haus San Roman auf der South West 9th Street. Es war die sauberste Wohnung, die Max je von innen gesehen hatte. Sandra hatte eine Putzfrau engagiert, damit es so blieb.
Sie gingen in ihr Wohnzimmer, das beige gestrichen und mit beigefarbenem Teppichboden ausgelegt war und ganz leicht nach Weihrauch und Pfefferminz roch. An der Wand zur Rechten Bücherregale: Atlanten und Enzyklopädien ganz oben, auf den beiden Etagen darunter Reiseführer, Biografien und Geschichtsbücher, der Rest gehörte der Belletristik. An den anderen Wänden hingen eine große Karte von Kuba und ein Gemälde von zwei Frauen und einem irgendwie seltsamen Fisch, das Max für so amateurhaft hielt, dass er davon ausging, dass sie es im Kunstunterricht der zehnten Klasse angefertigt hatte.
Sandra ging in die Küche, um Kaffee zu kochen, und bat ihn, Musik aufzulegen.
Er schaute ihre Alben durch. Reichlich Latin, nichts, was er kannte, und ein wenig klassische Musik, die er ebenfalls nicht kannte, aber auch das von Chic produzierte Album Diana von Diana Ross, und Bad Girls, Innervisions, Songs in the Key of Life, Let’s Get It On , ein paar Scheiben von Bill Withers und Grover Washington, die Greatest Hits von Barry White …
Sie kam mit einem Tablett herein, auf dem zwei Tassen standen. Sie hatte sich
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