Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
dachte darüber nach. Lacour und Assad hatten mehrere Menschen an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten getötet.
»Gibt es ein Gegengift?«, fragte er.
»Dazu wollte ich gerade kommen«, sagte Raquel. »In der Blase des Mörders haben wir Spuren von Atropin gefunden. Atropin ist ein Alkaloid der Belladonna – der Tollkirsche. Es neutralisiert die Wirkung des Physostigmins. Und da wir es in der Blase gefunden haben, gehe ich davon aus, dass er es eine ganze Weile vorher zu sich genommen hat, lange bevor er in diesen Gerichtssaal marschierte.«
»Wie lange vorher?«
»Es dauert eine ganze Weile, bis der Körper Atropin vollständig abgebaut hat. Hängt natürlich wieder von der Person ab. Drei bis sechs Wochen.«
Max begriff, was geschehen war. Nach dem Versuchslauf in Overtown hatte man Assad Atropin verabreicht, um ihn bis zum Hauptereignis am Leben zu halten.
»Eines kann ich dir sagen«, sagte Raquel. »Die Physostigminwerte in seiner Leber waren dermaßen hoch, dass er im Grunde längst ein toter Mann war, bevor er von einer Kugel getroffen wurde.«
37
»Solomon? Mehr hast du nicht?«, fragte Trish Estevez.
»Nein, mehr habe ich nicht. Tut mir leid«, antwortete Joe.
»Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Du bist derjenige, der die Arbeit machen muss.«
Trish war die Datenbankmanagerin des Miami PD. Sie hatte 1967 im Sekretariat angefangen und nebenbei am Abend Computerkurse besucht, sodass sie zur EDV-Expertin geworden war, bevor die Polizei 1971 die ersten Computer anschaffte, als praktisch noch niemand mit den Dingern umgehen konnte. Inzwischen hatte sie zwei Leute unter sich, die sie von der Pike auf angelernt hatte. Sie transferierten sämtliche Papierakten auf Disketten – ein mühseliges Unterfangen, das mit mehr Leuten und mehr Computern deutlich einfacher gewesen wäre, aber das Budget war winzig. Das Herzstück des Computerraums war der Nadeldrucker. Er war ungefähr so hoch und breit wie ein Klavier und ruhte auf zwei zusammengeschobenen Tischen. Von ihrem Schreibtisch an der Rückwand aus hatte Trish ihre zwei Mitarbeiterinnen im Blick, die nicht weit von der Tür vor ihren Compaq-Computern saßen, eine an der rechten, eine an der linken Wand, die Rücken zueinander. Das Klappern ihrer Tastaturen war das einzige Geräusch im Zimmer. Die Bildschirme, an denen sie arbeiteten, sahen aus wie kleine tragbare Schwarzweißfernseher und erinnerten Joe unweigerlich an das archaische Gerät im Haus seiner Eltern, das er zusammen mit seinem Bruder immer mit rotem oder blauem Plastik überklebt hatten, damit es wie ein Farbfernseher aussah, oder das winzige Gerät in seiner ersten eigenen Wohnung.
»Wird eine ziemlich lange Liste. Vorname, Nachname, zweiter Vorname, Deckname, Spitzname.« Trish war im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern aus Irland nach Boston gekommen, aber ihr breiter irischer Akzent hielt sich tapfer.
»Ich fange mit den Vornamen an.«
»Gute Idee«, sagte sie und drehte sich mit dem Stuhl zu den grauen Aktenschränken um, die die gesamte Wand hinter ihr einnahmen und in denen 5¼- und 3½-Zoll Floppydisks alphabetisch sortiert aufgereiht waren. Erstere steckten in Papphüllen, die Joe an die alten Schellackplatten erinnerten, die sein Großvater ihm damals vorgespielt hatte.
Sie suchte sieben von den größeren Disketten heraus und schob sie in den Computer auf ihrem Schreibtisch. Das Gerät schnurrte und klickerte hektisch vor sich hin, dann erschien auf dem Bildschirm ein Menü. Sie drückte ein paar Tasten.
»Siebenhundertdreiundfünfzig Treffer für den Vornamen Solomon«, sagte sie.
»Wie aktuell sind die?«
»Der letzte Eintrag stammt vom November.«
»Das reicht«, sagte Joe.
»Dann komm gegen vier wieder, dann kriegst du den Ausdruck.«
»Danke.«
»Ihr Jungs könntet mir das Leben sehr viel leichter machen, wenn ihr selbst mit diesen Dingern umgehen könntet.«
»Dann hättest du keine Arbeit mehr.«
»Genau dazu hat der Mensch die Maschinen erfunden.« Trish lächelte.
In der Bibliothek blätterte Max in einem Botanikbuch, bis er gefunden hatte, was er suchte: Calabarbohne – Samen von Physostigma venenosum , einem kletternden Hülsenfrüchtler aus Westafrika. Der Same hatte einen Durchmesser von gut einem Zentimeter und war von dunkelbrauner Farbe.
Darüber hinaus beschrieb der kurze Artikel die giftigen und medizinischen Eigenschaften der Bohne sowie ihre Verwendung in der Hexerei.
Max blätterte eine Seite
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