Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Leuten.«
»Wir könnten an die Presse gehen.«
»Trotzdem wären wir erledigt. Ach was, das würde es nur noch schlimmer machen. Für die Polizei ist es das Schlimmste, als Letzte informiert zu werden, wenn es um einen der ihren geht. Das weißt du genau.«
Joe schwieg und starrte stur auf die Liste, die vor ihm lag, dann ins Nichts. Zu früh gefreut. Er war noch immer allein in der Sache. Max würde diesen Weg nicht mit ihm gehen. Und er hatte recht. Er hatte zu viel zu verlieren. Sein Selbsterhaltungstrieb war stärker als seine Prinzipien.
Max ließ seine Zigarette in den Kaffee fallen. Er hatte die ganze Zeit an Sandra denken müssen, an das Leben, das sie miteinander haben könnten, und was sie über Nähe und Offenheit gesagt hatte. Er wollte ihr wegen seiner Arbeit keine Lügen erzählen müssen. Er spielte mit dem Gedanken, sich versetzen zu lassen, vielleicht nach Miami Beach, wenn da eine Stelle frei würde.
»Machen wir uns an die Liste«, sagte er schließlich.
Sie teilten sich die Arbeit gerecht auf. Joe bekam die erste Hälfte vom Anfang bis zur Mitte des Alphabets, Max den Rest.
Die Liste enthielt neben den Namen und Angaben zum Verbrechen noch einen Großbuchstaben, V für verurteilt, G für gesucht, K für Komplize, V/K für vermutlicher Komplize und V/I für Verdächtige, die laut Aussage eines Informanten am Tatort gewesen waren. Es folgte eine grobe Personenbeschreibung und die letzte bekannte Adresse.
Fast schweigend arbeiteten sie sich durch die Seiten und markierten alles, was ihnen wichtig schien, mit einem Sternchen. Max rauchte Kette. Irgendwann wurde es Joe zu viel, und er riss das Garagentor auf, damit der Qualm abziehen konnte.
Max konnte in seiner Liste keinerlei Hinweise auf einen Verbrecherboss entdecken. Bisher waren ihm nur Kleinkriminelle untergekommen – Einbruch, Diebstahl, Scheckbetrug, bewaffneter Raubüberfall durch Jugendliche, Autodiebstahl -, außerdem ein paar fahrlässige Tötungen und einzelne Morde.
Beim ersten Namen unter »O« musste er zweimal hinsehen und brach in lautes Gelächter aus.
»Solomon O’Boogie«, las er vor.
»Was hat der verbrochen?« Joe schaute auf.
»V/I. Mord in einem Klub auf der Washington. Ein Informant hat behauptet, er sei ein großer Drogenlieferant.«
»Und?«
»Männlich, weiß, einsachtzig groß, graue Haare.«
»Solomon O’Boogie, ja?«, sagte Joe und blätterte ein paar Seiten zurück. »Ich habe hier: Solomon Boogie. Wird genannt als V/K beim Mord an einem Drogendealer in Little Havana. Personenbeschreibung: Latino, neunzehn bis fünfundzwanzig, weiblich.«
»Weiblich?« Max zog die Stirn in Falten. »Datum?«
»13.02.77.«
»Echt?« Max zeigte Joe die Liste. »Ich hab hier das gleiche Datum.«
Max musste daran denken, dass es von Charles de Villeneuve hieß, er habe seine Erscheinung verändern können, und schaute zu dem Foto vom König der Schwerter hoch.
»Joe, wieso drehst du das andauernd um?«
»Ist mir unheimlich, das Bild«, sagte er.
»Memme!« Max lachte. »Schläfst du auch mit Licht?«
Sie wandten sich wieder ihren Listen zu.
Solomon O’Boogie hatte noch vier weitere V/K- und V/I-Einträge, zwei wegen Morden im Zusammenhang mit Drogenhandel, einen für Drogenschmuggel, einen für Prostitution, alle aus dem gleichen Jahr: 1977. In jedem Eintrag war eine andere Person beschrieben, ein anderes Alter und ein anderes Geschlecht angegeben. O’Boogie war ein älterer, weißer Mann, ein junger Weißer »mit jüdischem Aussehen«, eine alte schwarze Frau mit orangefarbener Afroperücke und ein asiatischer Mann Mitte dreißig, ungefähr einsfünfzig groß.
»Mann, das ist echt seltsam hier.« Joe blätterte schnell durch die Seiten. »Ich habe hier mindestens hundert Einträge für diesen einen Typen: Solomon Bookman.«
Boukman – der haitianische Sklave und Medizinmann, der de Villeneuve zu seinen Karten inspiriert hatte.
»Was hast du gerade gesagt?« Max schaute auf.
»Bookman.«
»Zeig her.«
Max überflog die Liste.
»Bookman, Solomon«, las er. Er blätterte mehrere Seiten weiter. Joe hatte recht. Zahllose Einträge.
Dann kam er zur richtigen Schreibweise. Boukman, Solomon. Er las.
Die Liste führte V/K- und V/I-Einträge für diverse Morde auf (die allermeisten im Zusammenhang mit Drogen: Dealer, Bandenführer, Lieferanten, alle erschossen oder erstochen), außerdem für Drogendelikte, Prostitution und Erpressung, alle aus der Zeit zwischen 1974 und 1980. Bookman/Boukmans Erscheinung
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