Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
direkt bei den Kolumbianern einkauft, das Zeug nach Haiti fliegt und von Haiti hierher. Dann verkauft und verteilt er den Stoff. Will sagen, der muss jetzt nur noch einen geeigneten Ort finden, um die Kokablätter anzubauen, und er ist eine Einmannindustrie.«
»Woher wissen die das alles?«
»Oberst Matisse. Der hat auch für Boukman gearbeitet. In dem Bericht heißt es, die Hälfte des haitianischen Offizierskorps arbeitet für ihn. Matisse war dafür zuständig, den Stoff von Kolumbien nach Haiti zu schaffen und dann weiter von Haiti nach Miami.« Joe fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. »Matisse hat dem FBI einen Deal vorgeschlagen. Er wollte ihnen Boukman und seine gesamte haitianische Operation auf dem Servierteller liefern, wenn sie im Gegenzug seinen Sohn laufen ließen. Crabbe hat die Verhandlungen geführt.
Aber das FBI hatte das gleiche Problem wie wir. Wer genau ist Boukman eigentlich? Wie sieht er aus? Es gibt keine offiziellen Daten über ihn, keine Sozialversicherungsnummer, keine Einwanderungspapiere, keine Vorstrafen. Nada .«
»Vielleicht ist er ein Illegaler, der sehr viel Glück hatte«, sagte Max.
»Vielleicht.« Joe nickte. »Aber das FBI weiß, dass Boukman Freunde an sehr hoher Stelle hat. Dazu komme ich noch.«
Max zündete sich eine Zigarette an und suchte im Kühlschrank nach einer Flasche Wasser. Es gab nur Bier. Er hatte Sandra versprochen, auf keinen Fall vor sieben Uhr abends Alkohol zu trinken, und das auch nur jeden zweiten Tag und überhaupt nicht, wenn er mit ihr zusammen war, höchstens ein Glas Wein zum Essen. Nur leider trank er keinen Wein, weil er davon Sodbrennen kriegte und direkt danach Kopfschmerzen. Er machte den Kühlschrank wieder zu.
»Kein Bier?« Überrascht schaute Joe zu seinem Partner hoch.
»Noch zu früh«, sagte Max.
Joe bedachte ihn mit einem wissenden Blick. »Muss wohl Liebe sein.«
»Mach weiter.« Max lächelte.
»Wenn sie dich dazu bringt, die Glimmstängel aufzugeben, küsse ich ihr die Füße, einen Zeh nach dem anderen.«
»Mach weiter«, wiederholte Max, und sein Lächeln wurde noch breiter.
»Okay. Das FBI brauchte also eine vernünftige Personenbeschreibung. Matisse ließ Crabbe wissen, dass er Fotos von Boukman hatte. Er sagte, er habe sie heimlich machen lassen, bei ihrem letzten Treffen von Angesicht zu Angesicht, 1978. Als Versicherung. Und es war auf jeden Fall Boukman selbst, die beiden kannten sich nämlich schon seit Ewigkeiten. Sie hatten gemeinsame Freunde … Oder, nein, das war’s: Sie hatten die gleiche Hellseherin.«
»Wen?«, fragte Max. »Eva Desamours?«
»Keine Ahnung. Vielleicht steht das in seiner eidesstattlichen Erklärung. Crabbe war vor Weihnachten nach Haiti geflogen und hat eine eidesstattliche Aussage von Matisse aufgenommen. Bei der Gelegenheit hat Matisse ihm auch die Fotos übergeben. Dann hat Crabbe das FBI angerufen und ihnen mitgeteilt, dass Matisse nicht nur die gesamte Führungsspitze der haitianischen Kokain-Connection genannt hatte, sondern auch seine Kontaktpersonen beim Zoll, bei der Polizei von Miami, bei der DEA und beim FBI.«
»Gott!« Max setzte sich. »Und Crabbe hat das ganze Zeug seiner Sekretärin Nora Wong übergeben, richtig?«
»Genau«, sagte Joe und nickte langsam, während er an den Tatortbericht und die Fotos der New Yorker Polizei zurückdachte. »Leider hat das FBI nichts davon zu Gesicht gekriegt, weil sie Pierre-Jerome nicht haben laufen lassen. Sie wollten den Deal ändern. Sie meinten, sie könnten ja nicht wissen, ob Matisse sich das Ganze nicht ausgedacht hatte, also wollten sie den Jungen erst laufen lassen, wenn sie ein paar Leute im Knast hatten. Und sie verlangten, dass Matisse vor Gericht gegen Boukman aussagte. Matisse lehnte ab, keine Chance. Crabbe war gerade mitten in den Verhandlungen, als er zusammen mit Moyez erschossen wurde.«
»Also war gar nicht Moyez das Ziel, es war Crabbe.«
»Richtig.« Joe nickte.
»Scheiße. Hat er denn von der Aussage keine Kopien gemacht?«
»Wenn, dann sind sie noch nicht wieder aufgetaucht. Ich würde vermuten, die sind verschwunden.«
»Und was ist mit Matisse?«
»Der ist tot. Am Morgen des 4. Mai – just dem Tag der Verhandlung gegen Moyez – wurden Matisse, seine Frau und zwei ihrer Kinder in ihrem Haus in Port-au-Prince beim Frühstück erschossen.«
»Und Pierre-Jerome?«
»Wurde tot in seiner Zelle aufgefunden.«
»War er nicht in Einzelhaft?«
»Doch. Irgendwer hat ihm geriebenes Glas in die
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