Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
fünf große McDonalds-Kaffee und zwei Dosen Cola geleert. Er sah fertig aus, Tränensäcke unter den geröteten Augen, schlaffe Haut, hängende Schultern und große Schweißflecken unter den Achseln und auf der Brust seines taubenblauen Hemds.
»Hast du hier übernachtet?«
»So gut wie.« Joe gähnte.
»Was hast du da?«, fragte Max.
»Offenbarungen«, sagte Joe. »Ich habe mich am Wochenende mit Jack Quíñones getroffen.«
»Ach. Wie geht es ihm?« Max lächelte erfreut. Jack vereinte gleich mehrere sehr seltene Eigenschaften in sich: Er war ein FBI-Agent, den er mochte, ein FBI-Agent, dem er vertraute, ein FBI-Agent, mit dem er zusammenarbeiten konnte, und ein FBI-Agent mit Sinn für Humor. Als er noch in Miami stationiert gewesen war, hatten sie öfter zusammengearbeitet. Was ebenfalls eine Seltenheit war, denn während die normale Polizei ihre Informationen – wenn auch widerwillig – weitergab und Ressourcen zur Verfügung stellte, war etwas anderes als ein klares Nein von einem FBI-Mann ungefähr so wahrscheinlich wie ein heiteres Gelächter von den Präsidentenköpfen am Mount Rushmore. Die FBI-Leute fühlten sich den normalen Polizeibeamten überlegen und gaben ihnen immer wieder gern zu verstehen, dass sie nicht nur mehr Macht und bessere Ressourcen hatten, die tollere Ausbildung und mehr Gehirn, sondern dass sie, sollte die Pflicht rufen, auch übers Wasser gehen konnten. Jack bildete die Ausnahme. Ihm war mehr daran gelegen, Verbrechen aufzuklären und Menschenleben zu retten, als den bürokratischen Weitpinkelwettbewerb für sich zu entscheiden. Seit letztem September war er in Atlanta und suchte den Mörder, der bisher zwanzig schwarze Kinder auf dem Gewissen hatte.
»Er hat mich angerufen und mich nach den beiden Arschlöchern von der Arischen Bruderschaft gefragt, die wir 79 eingebuchtet haben.«
»Lund und Wydell?«
»Erinnerst du dich an den Onkel, Dennis Kreis? Jack meint, Kreis hat vielleicht etwas mit Atlanta zu tun – oder kennt zumindest den Mörder. Er wollte Kopien unserer Akten über Kreis, dafür hat er mir alles geschickt, was das FBI über Boukman hat.«
»Wenig ist es ja nicht.« Max betrachtete den Packen Papier, unter dem das Sofa eingesackt war.
»Da sind mindestens drei recycelte Bäume dabei, auf denen nur Blödsinn steht – du weißt schon, die üblichen Gerüchte und Mutmaßungen, dass der Typ seine Gestalt verändern kann, dass er an fünf Orten gleichzeitig ist, dass er zwei Zungen hat … Aber einer hat eine genaue Beschreibung von Boukman geliefert.«
»Und wie sieht er aus? Ein blonder Zwerg mit drei Beinen?« Max lachte.
»Nein.« Joe schüttelte den Kopf. »Es gab Fotos.«
»Es gab Fotos?«
»Ja, sie sind verschwunden«, sagte Joe. »Folgendes ist passiert: Am 5. Dezember letzten Jahres hat das FBI einen neunzehnjährigen Haitianer namens Pierre-Jerome Matisse hochgenommen, weil er den Studenten aus gutem Hause Koks verkauft hat. Vorher hatten sie ihn vier Monate lang observiert. Er hat seinen Stoff aus Haiti gekriegt. Beste Qualität, um die neunzig Prozent. Ein Pilot der PanAm hat das Zeug reingeschmuggelt, immer ein Kilo pro Flug. Und dieser Pilot hat fürs FBI gearbeitet.
Nach seiner Festnahme ruft Pierre seinen Papa in Haiti an. Der Papa heißt Legrand Matisse und ist Oberst der haitianischen Armee. Und Papa hat schon seit drei Jahren Koks aus Haiti nach Miami geschmuggelt. Papa ruft seinen Anwalt an, den verstorbenen Coleman Crabbe von Winesap, McIntosh, Crabbe und Milton .«
»Den Anwalt von Moyez?«, fragte Max, und ein kaltes Gefühl machte sich in seinem Magen breit.
»Genau den.« Joe nickte. »Bis vor zwei Jahren waren das FBI, die DEA und die Küstenwache des Glaubens, dass die Kolumbianer das allermeiste Koks nach Miami bringen, mit Schnellbooten und Kleinflugzeugen. Das tun sie natürlich auch, aber die wichtigste Handelsroute ist das nicht. Sehr viel von dem Stoff, der hier landet, kommt über Haiti rein.
Es gab bereits Hinweise, dass Solomon Boukman zu den Spielern in der haitianischen Drogenconnection gehört, aber erst durch Matisse ist dem FBI aufgegangen, in welchem Ausmaß der Typ agiert. Will heißen: Der Mann ist die Haiti-Connection.
Anfänglich hat das FBI Boukman für ein Glied in der Kette gehalten, einen kleinen Fisch, der für die Kolumbianer arbeitet oder vielleicht mit den Kubanern. Aber in Wahrheit holt Boukman den Stoff nicht einfach nur bei A ab und liefert ihn nach B. Inzwischen wissen die Jungs vom FBI, dass er
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