Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
zermalmen. Das wussten sie.
Um Punkt 6.30 Uhr klopfte Helga an seine Tür, wie sie es immer tat, nachdem sie sich an ihrem Schreibtisch eingerichtet und den Computer eingeschaltet hatte, pünktlich wie eine Rolex.
Sie öffnete die Tür und sah ihn zusammengesunken auf seinem Stuhl sitzen, das Kinn in die Hand gestützt, kochend vor Wut.
»Alles in Ordnung, Eldon?«, fragte sie.
»Wenn Mingus und Liston reinkommen, sollen die sofort hier antanzen«, brummte Eldon.
Sie kannte ihn, kannte seine Launen, wusste, wann es Zeit war zu reden, und wann man besser schwieg. Sie nickte und zog die Tür wieder zu.
Scheiße!
Das alles kam gänzlich ungelegen. Die Fäkalienfee hatte ihm erzählt, dass ihre Leute an einer Billigversion von Freebase herumexperimentierten, die so einfach herzustellen war, dass man sie auch zu Hause in der Küche zusammenmixen konnte. Ein paar Jungs hatten das Zeug schon in Liberty City getestet, aber plötzlich und aus heiterem Himmel waren sie von der DEA hochgenommen worden. Somit war das Projekt vorübergehend auf Eis gelegt. Die Droge hatte noch ein paar Kinderkrankheiten, die ausgemerzt werden mussten: Der Rausch hielt zu lange an und war nicht stark genug. Aufregende Pionierzeiten standen ihnen bevor. Wenn das Billigbase gut lief, würde es in den Ghettos bald eine neue Drogenepidemie geben. Das bedeutete mehr Verbrechen, und mehr Verbrechen bedeuteten mehr Polizisten – und zwar harte Polizisten, die durchgreifen konnten. Polizisten wie ihn. Die Fäkalienfee würde den Zauberstab schwingen und ihn zum Polizeipräsidenten machen. Polizeipräsident mit weitreichenden Befugnissen, Polizeipräsident mit dem Mandat, die Polizei von Miami zu reformieren, Polizeipräsident dieser Stadt, die er so sehr liebte.
Aber was Max da anstellte, konnte all die schönen Aussichten zunichtemachen. Sie brauchten Boukmans haitianische Connection, und sie brauchen Boukmans Vertriebsnetz, um das Billigbase in den Ghettos an den Mann zu bringen.
Wenn Max und Liston nicht pünktlich zum Dienstantritt um 8:30 Uhr in der MTF erschienen, würde er darüber nachdenken müssen, jemanden loszuschicken, um sie zu suchen.
Sein Telefon klingelte. Helga.
»Ja?«
»Mr. Marko ist hier und möchte mit Ihnen sprechen«, sagte Helga.
Die Fäkalienfee! Was zum Teufel wollte der jetzt?
Eldon rückte sich die Krawatte zurecht und zog das Jackett an.
»Schick ihn rein.«
57
Oben auf dem Dach, als die Sonne aufging und der Himmel sich blutergussviolett und sattrosa färbte, erzählte Max Eldon alles, was sie über Boukman und den SNBC herausgefunden hatten.
Er hatte sich vorher zurechtgelegt, was er in welcher Reihenfolge sagen wollte.
Er fing an mit einer Entschuldigung, weil er hinter Eldons Rücken ermittelt hatte. Er erzählte, wie ein Informant bei einem Routinegespräch erwähnt habe, bei dem Gerichtssaalmörder handle es sich um Jean Assad. Er und Joe hatten sich Assad genauer angesehen, um alle losen Enden festzuzurren, bevor sie die offiziellen MTF-Ermittlungen zu Fall bringen und die Abteilung dumm dastehen lassen konnten – oder Schlimmeres.
Dann erzählte Max ihm fast den ganzen Rest: Was er über Boukman wusste, über den SNBC, über Eva und Carmine Desamours, Bonbon, Sam Ismael und das Lemon-City-Projekt. Bei der Tarotkarte ging er ins Detail, bei den Gifttränken, Zombies und Calabarbohnen beschränkte er sich auf die groben Umrisse, er erzählte von der haitianischen Kokain-Connection, erwähnte Ernest Bennett, Baby Doc und die Geldwäsche. Und er erzählte Eldon von Solomons Beschützer, dem Kaiser, und einer möglichen Verwicklung der CIA. Die Fotos und die Tatsache, dass Boukman wusste, wer er war, erwähnte er nicht. Sandra würde er in Sicherheit bringen. Mit allem anderen konnte er allein fertigwerden. Er war Polizist, und so etwas gehörte nun mal zum Beruf.
Max redete gut zehn Minuten lang. Er hatte sich darauf gefasst gemacht, dass Eldon ausflippen würde, aber das tat er nicht. Sein Boss blieb sehr ruhig und hörte sehr aufmerksam zu. Er unterbrach ihn nicht. Seine verräterische Warze bewahrte ihr neutrales Braun.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte Eldon schließlich. »Ich werde ein Team nach Coral Springs schicken, die sollen Liston ablösen und auf Ismael aufpassen. Dann werde ich mit dem Staatsanwalt reden. Diesen Boukman festzunehmen, dürfte kein Problem sein, aber bei der Sache mit Lemon City wird es politisch. Ismael hat sehr viel schmutziges Geld in viele mächtige
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