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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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Mingus. Aus der Zigarettenkippe, die Solomon ihr gebracht hatte, hatte sie seine Essenz extrahiert. Zuerst hatte sie geglaubt, Solomon müsse sich geirrt haben und die Kippe könne unmöglich von diesem Mann stammen. Der Geruch war von einer überwältigenden Süße: der widerliche Honiggestank der Liebe, so frisch, dass sie noch den Pollen riechen konnte. Dann hatte sie Mingus gesehen und die Frau, die er liebte und von der er geliebt wurde. Eva war tief in das Delirium seiner jungen Leidenschaft vorgedrungen – die idiotische Verknalltheit, das blinde Vergöttern, die schrille Aufgeregtheit, die unersättliche Lust, nicht zu unterscheiden von einem Teenager, der soeben seine Unschuld verloren hatte – und war auf die Angst gestoßen, die mitten durch all diese Gefühle rann wie ein unterirdischer Fluss. Die Angst, dass dieser Frau ein Unheil geschehen könnte, dass er sie mit sich in die Tiefe reißen würde. Als sie dieser Angst gefolgt war, war sie auf seine Wut gestoßen. Er hatte sich die Samenleiter abklemmen lassen, weil er gesehen hatte, was Menschen Kindern anzutun in der Lage waren. Er hasste Menschen, die Kindern Leid zufügten, hasste sie aus tiefstem Herzen. Sie hatte die Dutzenden von Verdächtigen gesehen, aus denen er Geständnisse herausgeprügelt und denen er Beweismittel untergeschoben hatte. Sie hatte die fünf Männer gesehen, die er getötet hatte – zwei im Dienst, drei auf eigene Rechnung -, Bestien allesamt. Sie hatte sogar einen kurzen Blick in die Zukunft erhaschen können auf die sieben Menschen, denen er noch das Leben nehmen würde.
    »Mingus.« Sie zeigte auf die Karte und schaute in die Dunkelheit ihr gegenüber, wo Solomon saß. »Er wird nicht aufhören.«
    »Kann der Kaiser ihn nicht zurückpfeifen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie sah Mingus und Burns zusammen irgendwo sehr weit oben stehen und auf die Stadt hinunterblicken. Sie sah, wie Burns Mingus den Arm um die Schultern legte, eine Geste der Freundschaft. Sie sah den jungen Mingus und Burns, der lächelnd auf ihn hinabschaute.
    »Sie stehen miteinander im Bunde«, sagte sie. »Schon immer. Er schützt Mingus. Er sieht sich selbst in ihm.« Sie schloss die Augen. »Aber er sieht die Dinge nicht, wie sie sind. Mingus ist nicht im Mindesten wie er.«
    Sie wandte sich der senkrechten Reihe der vier Karten zu, die die Zukunft symbolisierten, und drehte eine nach der anderen um.
    Der Mund wurde ihr trocken.
    Gewaltige Umwälzungen standen bevor.
    Die Katastrophe.
    Der König der Münzen, die Acht der Schwerter, der Turm und die Zehn der Schwerter.
    Die Karten wirbelten vor ihren Augen, die Farben satt und feucht und sehr brillant wie frisch gemalt: das Gold der Königsrobe, der grausam glänzende Stahl der Schwerter, die lodernden Flammen auf den Menschen, die aus dem zerstörten Turm stürzten, und das Blut, das aus den zehn offenen Wunden des Getroffenen floss.
    Ihr Kopf wurde erst ganz leicht, dann schwer.
    »Was siehst du?«, fragte Solomon noch einmal und lehnte sich vor, wenn auch nur ganz leicht, sodass sie nicht mehr sehen konnte als seine Hände, das Weiß seiner Fingernägel, das sich scharf von seiner dunklen Haut abhob.
    Sie holte tief Luft und versuchte sich zu zentrieren, sich auf den Ticker der Deutungen zu konzentrieren, den sie über die Karten laufen sah.
    Sie berichtete, was sie da sah: den Ablauf der Ereignisse.
    »Sie haben Ismael.« Sie legte die Hand auf den König der Münzen, der, von Geldstücken umgeben, auf einem goldenen Thron saß. Dann ließ sie den Zeigefinger hoch zur Acht der Schwerter wandern – wieder eine Frau mit verbundenen Augen, ebenfalls an Händen und Füßen gefesselt, um sie herum acht zu Boden zeigende, in der Luft hängende Schwerter: die Karte der Gefangenschaft. Eva schloss die Augen und konzentrierte sich. »Er hat mit Mingus geredet, hat ihm alles erzählt. Gerade eben.«
    »Wo ist er?«, fragte Solomon.
    »Nicht in Miami. Aber auch nicht weit von hier. Wenn er in die Stadt zurückkommt, werden die Dinge ins Rollen geraten.«
    »Welche Dinge?«
    »Sie werden dich vernichten«, sagte sie. »Der Kaiser wird wieder nehmen, was er gab.«
    »Und wenn ich Ismael daran hindere, nach Miami zurückzukehren …?«
    »Das wird das Unvermeidliche nur hinauszögern.« Sie betrachtete den Turm, eine der übelsten Karten, die es gab, die Karte der Zerstörung und des Ruins, die von Dingen kündet, die einem genommen werden: ein Leuchtturm, in dessen Dach der Blitz einschlägt, brennende

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