Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
ein.«
»Was?«
»Lass-dein-Badewasser-ein.«
»Geh mir aus dem Weg.«
»Lass dein Badewasser ein.«
»Ich habe mich schon gewaschen.« Er lud durch.
»Lass dein Badewasser ein. Und wag es nicht, mir zu widersprechen, Junge!«, wiederholte sie, und ihre zornigen Augen bohrten sich in seine, sie kam auf ihn zu.
Er wich nicht zurück, aber ganz tief drinnen hätte er gern genau das getan.
»Du verrückte alte Hexe!«, kreischte er.
Sie lachte ihn aus. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten. Er wusste, dass er kurz davor war, zusammenzubrechen. Er war kurz davor, ihr nachzugeben. Er fühlte sich klein und unbedeutend und überwältigt von ihrer Präsenz, ihrer Persönlichkeit, ihrer Verachtung und ihrem Hass. Er zielte mit einer geladenen Waffe auf sie, und sie hatte kein bisschen Angst, weil sie wusste, dass er nicht auf sie schießen würde.
»Ich warne dich … Geh mir aus dem Weg«, schluchzte er.
»Sonst was? Willst du mich sonst erschießen? Ja? Ich glaube nicht. Du würdest es nicht wagen. Du bist ein verängstigter kleiner Junge. Ein Feigling – genau wie dein Vater! Ein nichtsnutziger Schwächling.«
Seine Hand fing an zu zittern. Sie sah es. Sie lächelte.
»Siehst du?«, höhnte sie. »Du zitterst. Du machst dir in die Hosen. Du hast nicht die Nerven dafür! Du hattest noch nie den Mut, dich mir zu widersetzen. Mir – einer zerbrechlichen alten Frau. Du bist eine Witzfigur, Carmine. Eine jämmerliche, schwache kleine Witzfigur. Dein ganzes Leben ist ein Witz. Du bist ein Schwächling! Ein Schwächling! Ein Schwächling!«
Er erinnerte sich nicht, den Abzug gezogen zu haben. Es passierte einfach. Er konnte ihre Stimme nicht mehr ertragen, ihren Hohn, ihren Spott, ihr Geschrei, das in seinem schmerzenden Kopf widerhallte, an seinem Herzen zerrte, seine Seele zermalmte. Er wollte, dass es aufhörte. Er wollte, dass sie aufhörte. Für immer. Und sein Schmerz und sein Wunsch verwandelten sich in ein paar Pfund Druck, die er auf den Metallbügel ausübte.
Seine Mutter fiel hintenüber, lag, alle viere von sich gestreckt, auf dem Fußboden, ein kleines, rauchendes schwarzes Loch in der Brust, eine größer werdende rote Lache unter ihr.
Carmine nahm seine Tasche und ging zur Tür, der Knall hallte in seinen Ohren wider.
Bevor er das Badezimmer verließ, blieb er stehen und betrachtete sie. Sie war nicht tot. Ihre Augen bewegten sich.
Sie sahen sich an.
»Ich habe von dir gelernt, Mutter«, sagte Carmine. »Ich hasse dich. Ich habe dich immer gehasst. Und ich werde dich immer hassen.«
Eva sah, dass sich seine Lippen bewegten, aber sie konnte nicht hören, was er sagte. In ihren Ohren klingelte der Schuss, der ihr das Herz zerrissen hatte.
Sie wartete auf das, was als Nächstes kommen würde. Sie kannte es, sie hatte es schon gesehen, und es war wunderschön. Ganz kurz bevor der Körper starb und den Geist befreite, löschte ein Trost bringendes, reinigendes, klares weißes Licht ganz sanft alle Spuren dieses Lebens aus und erleuchtete nach und nach den Weg zum nächsten.
Es war die Wahrheit: Gott vergab allen Menschen. Sogar ihr. Schließlich war sie auch nur ein Mensch – noch.
Ihr war sehr kalt. Sie spürte ihre Beine nicht mehr. Die Schmerzen in der Brust waren groß, ihr Herz mühte sich, die Wunde zu heilen, den tödlichen Riss zu schließen.
Sie freute sich auf die nächste Etappe. Sie würde in der Lage sein, über Solomon zu wachen und ihn zu führen. Und den elenden Bastard und Mörder, der ihr Sohn war …, den würde sie bis in sein Grab verfolgen, und sie würde dafür sorgen, dass seine Existenz auch danach noch eine Qual war. Bis in alle Ewigkeit würde sein Bad auf ihn warten. Er würde ihr niemals entkommen.
Sie wollte lachen, aber sie konnte nicht, weil ihre Muskeln ihr den Dienst versagten. Jetzt gleich würde das wunderschö ne Licht erscheinen. Jetzt gleich.
Dann kam es.
Aber nicht das Licht.
Nein.
Nicht das Licht.
Ein tintenschwarzer Rauch – halb Dampf, halb Flüssigkeit – nahm ihr nach und nach die Sicht, sodass sie ihre Umgebung nicht mehr sehen konnte. Und dann hörte sie wieder die Hunde – diesmal kratzten sie nicht und umkreisten sie, sie rannten auf sie zu, sehr schnell, ihre Pfoten donnerten über die Erde, als wären sie so groß wie Pferde.
Die absolute Dunkelheit teilte sich, und sie sah die riesigen Monster, die auf sie zustürzten. Sie waren sehr viel furchtbarer als alles, was sie je in ihren zahlreichen Visionen gesehen hatte,
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