Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
normale, rational denkende Mensch würde das tun.
Aber so ein Mensch ist Boukman nicht. Der gibt nicht einfach auf und verschwindet. Die ganze Macht, das Geld, die Kontrolle. Daran ist er gewöhnt, er ist es gewohnt, dass alles nach seiner Pfeife tanzt. Leute wie er verlassen ihren Thron nicht. Sie sterben auf dem Thron. Er wird versuchen, die alte Ordnung wiederherzustellen und zurückzuschlagen. Und ich kann nur hoffen, dass wir dann bereit sind.«
Sie wohnten in einem Zimmer im obersten Stock des Atlantic Tower, einem Hochsicherheitsgebäude unweit der Flagler, das dem Staat gehörte und in dem Politiker und Würdenträger und Berühmtheiten mit viel Vitamin B wohnten, wenn sie in der Stadt zu Besuch waren, oder wichtige Zeugen, die unter der Obhut der Polizei oder des FBI standen.
Sandra war vor zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden, wo ihr Schock, ihre Dehydrierung und die kleinen Prellungen und Schnittwunden behandelt worden waren, die sie sich beim Kriechen zum Auto zugezogen hatte. Glücklicherweise hatte sie keine größeren körperlichen Verletzungen davongetragen.
Ein Psychologe hatte sich ungefähr eine Stunde lang mit ihr unterhalten, eine Monatsration Valium verschrieben, ihr einen zweiten Termin in mehreren Wochen gegeben und eine Telefonnummer, die sie anrufen konnte, sollten bis dahin irgendwelche Probleme auftreten. Sie weigerte sich, die Tabletten zu nehmen, weil sie der Meinung war, die nicht zu brauchen; es gehe ihr gut, behauptete sie. Und von außen betrachtet fand Max, dass sie tatsächlich so wirkte. Sie zeigte keines der üblichen Anzeichen eines Traumas: Sie schlief tief und fest und aß regelmäßig, sie war weder nervös noch gestresst oder paranoid. Im Grunde was sie fast genauso, wie sie vorher gewesen war. Max war sich nicht sicher, ob das ihrer angeborenen Zähigkeit zu verdanken war oder ob sich da leise eine verspätete Reaktion anbahnte. Er hatte das schon öfter bei Kollegen erlebt, die in eine Schießerei verwickelt worden waren. Sie hatten monatelang völlig normal ihren Dienst verrichtet, bis sie irgendwann, ganz plötzlich, durchgedreht und zusammengebrochen waren.
Auch wenn sie sich lebhaft an die Entführung erinnerte, konnte sie nicht viele brauchbare Informationen beisteuern. Sobald Max sie gebeten hatte, aus der Stadt zu verschwinden, hatte sie ihre Sachen gepackt und die Wohnung verlassen. Gerade als sie die Reisetasche in den Kofferraum verfrachten wollte, hatte neben ihr ein schwarzer Mercedes gehalten. Vorn auf dem Beifahrersitz Bonbon. Eine Frau mit einer Waffe in der Hand war ausgestiegen und hatte ihr befohlen einzusteigen. Man hatte ihr die Augen verbunden, sie an Händen und Füßen mit Klebeband gefesselt und ihr den Mund verklebt. Als man ihr die Fesseln wieder abgenommen hatte, hatte sie sich allein in einem leeren, fensterlosen Zimmer wiedergefunden, auf dem Fußboden nur eine Matratze und ein Pinkelpott. Eine Stunde später war ein Mann mit einem Telefon in der Hand hereingekommen. Er hatte ihr befohlen, Max zu sagen, dass sie entführt worden sei und dass er zu der Telefonzelle vor dem Gerichtsgebäude gehen solle. Er hatte Max’ Nummer gewählt und ihr den Hörer ans Ohr gehalten, in der anderen Hand die Waffe, die er ihr an die Schläfe drückte. Dann hatte man sie bis zum nächsten Morgen allein gelassen, bis der gleiche Mann zurückgekommen war, um ihr Essen und Wasser zu bringen und den Topf mitzunehmen. Sie hatte versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber er hatte sie ignoriert. Wenige Stunden später war er zurückgekommen und hatte ihr die Augen verbunden. Er hatte sie aus dem Zimmer geführt, eine Treppe hinauf und nach draußen, wo sie in einen Lieferwagen steigen musste. Man hatte ihr die Augenbinde erst wieder abgenommen, als man sie auf dem Grundstück in Opa Locka zu Max geführt hatte.
Nach der Schießerei war Bonbons Leiche abzüglich eines Großteils seines Kopfes auf der 195 gefunden worden, unweit einer Massenkarambolage aus acht PKWs. Zwei dunkelhäutige Männer – einer von ihnen blutüberströmt – hatten, unabhängig voneinander, Fahrzeuge gestohlen und waren vom Unfallort geflüchtet. Für beide lagen nur vage Personenbeschreibungen vor. Einige Zeit später war in Kendall das Haus der Desamours in Flammen aufgegangen. In den Überresten war die Leiche einer Frau gefunden worden, der aus nächster Nähe mit einer.44 in die Brust geschossen worden war. Max ging davon aus, dass es sich um Eva Desamours
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