Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Trinker gewesen und hatte seine Mutter und die Geschwister regelmäßig verprügelt, bevor er eines Heiligen Abends endgültig das Weite gesucht hatte. Von Max’ Kirchensitzungen war er jedes Mal beeindruckt und zugleich ein wenig beunruhigt. Natürlich war er froh, dass sie ihm beim Lösen der Fälle halfen, aber er konnte nur hoffen, dass sich sein Partner unterwegs nicht das Jesus-Virus einfing und bei der Verhaftung der Übeltäter irgendwann die Hand Gottes statt seiner eigenen am Werke sah.
»Ich sagte doch, du wirst es nicht glauben.«
»Und du hast Recht, ich glaube es nicht. Also raus damit, wo hast du sie kennengelernt?«
»Ich hab’s doch gesagt.«
»Hör auf, mich zu verscheißern, Joe.«
»Ich verscheißer‘dich nicht.«
»Du gehst seit zwei Monaten in die Kirche und hast mir nichts davon erzählt? Ganz schön verschwiegen für einen wiedergeborenen Christenmenschen. Müsstest du nicht eigentlich aufs Autodach steigen und Hosianna und Halleluja brüllen?«
»Ich bin nicht wiedergeboren, Mingus. Einmal reicht mir.« Kichernd trat Joe aufs Gas. Die Autoschlange war in Bewegung gekommen, auch wenn die Wagen immer noch dicht an dicht fuhren. »Erinnerst du dich, dass meine Mutter sich das Bein gebrochen hatte? Sie hat mich gebeten, sie zur Kirche zu fahren. Also habe ich sie zu diesem Mittwochabendgottesdienst gefahren, wo sie immer hingeht, und bin mit ihr reingegangen und habe das Ganze über mich ergehen lassen. Der Laden war gerammelt voll, alle Stühle besetzt. Und nach einer Weile ging mir plötzlich ein Licht auf.«
»Welches?«
»Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich eine solche Ansammlung attraktiver, freier und verfügbarer Frauen unter einem Dach gesehen. Also bin ich am nächsten Tag nochmal hin, allein, um mir die Sache genauer anzusehen.«
»Hör auf mit dem Scheiß, Joe!«
»Das ist mein Ernst. Die Kirchen sind voll von tollen Frauen, echt tollen Frauen.«
»Sagtest du Kirchen? Soll das heißen, du warst in mehreren?«
»Na klar. Die Baptistenkirchen sind am besten für Augenkontakt, ein bisschen Plaudern und Händchenhalten. Die sind locker, die Priester spielen Gitarre, als würden sie bei ein paar Bierchen am Lagerfeuer sitzen. Die katholischen sind die schlimmsten. Verklemmt wie nur was. All die tollen Frauen sind mit ihrer Mama da.«
»Du bist krank, Joe«, sagte Max ehrlich erschüttert. Vielleicht hatte auch er Kirchen bisher nicht wegen ihres eigentlichen Zweckes aufgesucht, aber das Letzte, was er aus einer Kirche machen würde, war ein Fleischmarkt. Dazu gab es Bars und Klubs. »Man geht in die Kirche, um sich mit Gott zu versöhnen, nicht, um Frauen abzuschleppen.«
»Ach, dem ist das egal. Er hat noch keine Blitze nach mir geschleudert.«
»Noch nicht …«, warnte Max halb im Ernst.
»Du solltest es auch mal versuchen.«
»Hör mir auf.«
»Für dich als Weißen und als Bulle ist es heutzutage natürlich schwerer, an die Sisters ranzukommen, nach McDuffie und den Unruhen und so. Aber wenn du eine in der Kirche kennen lernst … Wenn sie so christlich ist, da hinzugehen, sollte sie auch christlich genug sein, über deine Hautfarbe hinwegzusehen.«
»Ich habe da keine Probleme«, sagte Max, aber ganz Unrecht hatte Joe nicht. Seit McDuffie blieben die Bevölkerungsgruppen unter sich, die Leute waren zusammengerückt wie unter Belagerung. Für Max war es schwerer geworden, eine schwarze Frau anzusprechen, die ihm gefiel. Statt der Blicke, die er früher geerntet hatte – Interesse, gemischt mit Misstrauen und leichtem Unbehagen -, sah er jetzt Angst, Widerwillen und manchmal offene Feindseligkeit – und das schon, bevor er verkündet hatte, dass er Polizist war. Es war nicht immer so, aber immer öfter, und sehr viel häufiger als noch vor einem Jahr.
McDuffie hatte sogar die Polizei selbst in inoffizielle Fraktionen gespalten: die Schwarzen in der einen, Weiße, Latinos und Asiaten in der anderen Ecke. Dennoch, ganz so klar umrissen war die Lage in Miami mit seinem disparaten ethnischen Mix nicht. Die schwarzen Latinos hatten eine Zeit lang erfolglos versucht, neutral zu bleiben, bis sie sich schließlich auf die Seite schlugen, wo sie die meisten Freunde hatten. Max und Joe waren von dem Ganzen nicht betroffen. Ihre Freundschaft hatte längst den Punkt überschritten, an dem sie einander als schwarz oder weiß wahrnahmen. Darüber hinaus hatte sich Max den Respekt der schwarzen Kollegen erworben, indem er sich geweigert hatte, für die
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