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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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achtundsiebzig Meter Mediteran-Revival-Architektur, eindeutig und unverwechselbar der Giralda im spanischen Sevilla nachempfunden. Die Wände voller Graffiti, die meisten Fensterscheiben zerschlagen. Der riesige »Zu verkaufen«-Schriftzug in Rot auf weißem Grund, der vor die mittleren Stockwerke drapiert war, wirkte eher wie ein Flehen denn wie ein Angebot.
    »Diese Stadt geht vor die Hunde«, bemerkte Max. »Und es wird immer schlimmer. Man weiß nicht, wie schlimm es noch werden muss, bevor es wieder besser wird.«
     
    Max hatte keine Ahnung, was er da wegwarf, dachte Joe. Es machte ihn manchmal richtig wütend, wie er einfach alle Chancen verschmähte, die sich ihm auf dem Servierteller boten und die er nur noch ergreifen musste. Die Weißen wussten einfach nicht, wie leicht sie es hatten. Oder sie waren zu sehr daran gewöhnt. Sie spazierten einfach durch alle offenen Türen, ohne überhaupt zu merken, dass die für fast alle anderen verschlossen waren.
    Max hatte das Glück auf seiner Seite. Er galt allgemein als der begabteste Polizist Miamis. Keiner konnte ihm das Wasser reichen. Und er hatte die richtigen Verbindungen. Eldon Burns war nicht nur sein Vorgesetzter, er war sein Mentor. Burns war der einflussreichste Polizeibeamte in Florida; manche meinten sogar im ganzen Süden. Er kannte alle und jeden. Angeblich war er sogar mit Reagan persönlich bekannt. Burns war es gewesen, der Max überredet hatte, zur Polizei zu gehen. Und Burns wachte über ihn wie ein Schutzengel mit sechs Pistolen – nicht, dass er je hätte eingreifen müssen, denn seit seinem ersten Tag auf der Straße hatte Max seinen Job erledigt, als hätte er seit hundert Jahren nichts anderes getan, und er war gut. Solange Burns da war, waren Max die Beförderungen sicher, wahrscheinlich würde er Major sein, wenn sein Boss in Rente ging. Alles Weitere läge dann in seiner Hand, und das würde ein harter Aufstieg werden: Die ganz hohen Posten kriegte man mit Politik, nicht mit Polizeiarbeit, und Max wusste das sehr genau und glaubte, es nicht nötig zu haben.
    Wäre Joe an Max’ Stelle, er würde das Spiel mitspielen, würde die notwendigen Opfer bringen und den hohen Herren geben, was sie wollten. Man kam nicht weit im Leben, ohne ein kleines Stück seiner selbst zu verlieren, ohne einen Teil von sich aufzugeben, den man gern behalten hätte. So lief es nun einmal. Der Trick war, dafür zu sorgen, dass man für das, was man verlor, auch das kriegte, was man wollte. Max hatte keine Ahnung von solchen Geschäften, von den Umständen, die einen Menschen so weit brachten, einen Teil von sich aufzugeben, um nach oben zu kommen. Vielleicht würde er das nie verstehen. Joe hatte praktisch jede Brücke niedergebrannt, die er je überquert hatte, um da hinzukommen, wo er jetzt war. Er redete nicht mehr mit seinen vier Brüdern, weil er Polizist war, und die meisten seiner Jugendfreunde hatten ihm die Freundschaft aufgekündigt, als er erzählt hatte, dass er zur Polizei gehen werde; sie hatten ihn als Hausnigger und Onkel Tom beschimpft.
    Nicht, dass das Leben ihnen bisher recht gegeben hätte. Zwei seiner Brüder waren tot, einer in Vietnam gefallen, der andere an einer Überdosis gestorben. Von den anderen saß einer wegen Drogenhandels im Knast, der andere lebte von Sozialhilfe. Diejenigen seiner Freunde, die nicht hinter Gittern saßen, dealten entweder oder waren süchtig, andere waren Zuhälter oder liefen am helllichten Tag betrunken durch die Gegend. Liberty City war eine Mühle, aus der man nur schwer herauskam. Die Schwerkraft des Ghettos war die stärkste. Man musste hart sein und entschlossen, um sich daraus zu befreien. Die meisten waren das nicht. Sie waren entweder ehrlich zufrieden an ihrem Platz, oder sie waren zu ängstlich, zu schwach oder zu dumm, um in ihrer Umgebung das elende Dreckloch zu erkennen, das es war.
    Max gegenüber hatte Joe dieses Thema kaum je angesprochen. Er hatte erwähnt, dass er mit dem Großteil seiner Familie nicht mehr viel zu tun hatte, aber er war nicht allzu sehr ins Detail gegangen. Es war besser, das eine oder andere Geheimnis für sich zu behalten.
    Max war sein bester Freund. Im Gegensatz zu den meisten Weißen und nicht wenigen Latinos bei der Polizei war er kein Rassist. Er redete nie von oben herab mit einem Schwarzen, und er hatte keine Vorurteile, weder für noch gegen sie. Wahrscheinlich lag das daran, dass er mit schwarzen Freunden aufgewachsen war, den Kindern der Musiker aus der Jazzband

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