Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
jedes Fenster und jedes Oberlicht gestiegen, so war ich damals, und genau so sind meine Jungs heute noch – ihr alle. Die gleichen Methoden, die gleiche Hingabe. Und erspar mir den Vers, was für ein guter Kerl er ist. Gute Kerle gehören nicht in die Schützengräben. Die guten Kerle sind die, die wir beschützen, aber nicht wir.«
»Joe hat schon so manche Abkürzung genommen, Eldon«, sagte Max leise. Der Ausbruch seines Bosses hatte ihn eingeschüchtert.
»Ach ja? Verdächtige verprügeln, oder was? Nennst du das eine Abkürzung nehmen? Verrat mir eins, Max: Hast du ihm je erzählt, wozu das Comicbuch wirklich da ist? Weiß er, was ein Same ist? Hast du ihm erzählt, was wir hier wirklich machen?« Eldon stand sehr dicht vor ihm und sah ihm in die Augen. Sein Atem roch nach Kaffee.
»Nein.«
»Warum nicht?«
Weil ich ihn da raushalten wollte, dachte Max und hätte es beinah gesagt, hielt sich aber zurück. Warum sollte er Eldon erzählen, was er wirklich dachte? Ihm die Wahrheit sagen? Eldon wollte Joe loswerden, und es gab nichts, was Max dagegen tun konnte. Er hätte es kommen sehen müssen. In den letzten sechs Monaten hatte Eldon die MTF von allen gesäubert, die nicht genügend Leistung brachten, die er schlichtweg nicht leiden konnte oder denen er nicht traute.
»Danke!« Eldon interpretierte Max’ Schweigen als Zustimmung. »Ich habe Joe Liston nur deinetwegen mitgezogen. Und ja, zur Hölle, auch weil ich keinen anderen Negriden aus den eigenen Reihen in der Truppe hatte.«
Negride – Max zuckte jedes Mal zusammen, wenn Eldon dieses Wort benutzte, was er unter vier Augen ständig tat. Und er sprach es so aus, dass es gefährlich nach »Niggeride« klang.
Eldon las den Ausdruck in Max’ Gesicht.
»Meine Güte, Max! Das ist nichts Rassistisches! Du weißt, dass es in der ganzen Truppe keinen größeren Negridenfan gibt als mich. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie unsere konservativen Jungs im Führungsstab mich nennen? Den VGK, den verdammten Gleichstellungskommissar! Und meine Arbeit spricht für sich: Ich bin der einzige Weiße im Sanierungsprojekt für Liberty City, die NAACP hat mich soeben zum Polizisten des Jahres nominiert, und Reverend Jesse Jackson und ich, wir werden nächsten Monat zusammen in St. Agnes beten – vor laufenden Fernsehkameras.« Grinsend zeigte Eldon seine Zähne, die groß und weiß waren wie Badezimmerfliesen. Bevor er häufiger im Fernsehen zu sehen gewesen war, hatte er nie viel gelächelt, und anscheinend hatte jemand nach den ersten paar Auftritten eine Bemerkung über den Zustand seiner Zähne fallen lassen, jedenfalls hatte er sie bleichen und begradigen lassen.
»Mach dir um Joe keine Sorgen. Ich werde mich um ihn kümmern. Er wird sehr gut allein weiterkommen, soweit er das will. Nach dem Moyez-Fall wird er zum Detective First Grade befördert werden. Und in sechs bis neun Monaten wird er die Prüfung zum Sergeant machen und bestehen … und er kriegt einen schönen Schreibtisch in der Presseabteilung.«
»Presseabteilung! Doch nicht die Presseabteilung! Herrgott, Eldon! Joe gehört auf die Straße. Er ist Miamianer durch und durch! Du kannst ihn nicht hinter einen beschissenen Schreibtisch stecken!« Max war außer sich, aber er hätte genauso gut die Wand anbrüllen können, die hätte nicht weniger Reaktion gezeigt. Eldon stand ruhig und mit unbewegter Miene da, aber in seinen Augen waren ein Strahlen und ein Lächeln.
»Miami verändert sich, Max, und das Miami PD wird sich mit ihm verändern. Und Joe werde ich zum neuen Posterboy dieser Stadt machen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ab September starten wir eine Anwerbekampagne, die sich an Minderheiten und Frauen richten soll. Das Poster habe ich selbst entworfen.« Eldon schaute in den Himmel und zog mit großer Geste eine Linie in die Luft. »Sechs Leute in einer Reihe: zwei Frauen, ein Latino, ein Negrider in der Mitte, ein Weißer und ein jüdisch aussehender Collegetyp mit Brille. Und der Negride ist Joe Liston, und er wird sein breitestes, stolzestes, glücklichstes Grinsen zeigen, bis über beide Ohren. Das neue, bessere Miami PD, unsere Regenbogentruppe. Und der Slogan? ›Alle Hautfarben, eine Polizei‹. Was hältst du davon?«
»Du solltest in der Werbung arbeiten. Dein Talent ist hier verschwendet«, erwiderte Max bitter. Er fragte sich, wie lange Eldon das schon geplant hatte, wie lange er schon dabei war, den Boden unter seinen Füßen abzutragen. Und spielte das überhaupt eine
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