Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
drückte sie im Aschenbecher aus, auf dem Castros Konterfei prangte. »Das beweist nicht, dass er nicht auch in Coral Gables war. Gut möglich, dass er Ferrara auch umgebracht hat«, sagte Max.
Joe schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihm geglaubt. Er war es nicht.«
»Warum?«
»Weil ich dir nicht geglaubt habe. Du hast damals ein Asthmaspray im Gebüsch gefunden, weißt du noch? Und du hast einen Guss von einem Fußabdruck machen lassen.
Ich habe damals den Mund gehalten. Ich dachte, vielleicht hat jemand anderer die Hülse gefunden. Aber du warst es, der mir gesagt hat, das Asthmaspray und den blauen Eldorado solle ich vergessen. Die seien ›irrelevant‹, hast du gesagt. Zu dem Zeitpunkt hattest du Perabo schon im Visier. Im Grunde ging es um diese Hotelbauten in South Beach. Für die Stadt war das ein willkommener Vorwand, da Ermittlungen anzustellen, und was dabei rausgekommen ist, wissen wir ja.«
Max steckte sich eine Zigarette in den Mund und kämpfte mit seinem Zippo, um sie anzuzünden.
»Mir ging es nicht um Perabo. Der landet auf dem Stuhl, so oder so. Aber ich würde gern von dir hören, was mit dem wahren Täter passiert ist.« Joe nahm ihm das Zippo aus der Hand, gab ihm Feuer und ließ es wieder zuschnappen.
In diesem Moment kam sich Max vor wie eine Zeichentrickfigur, die, ohne es zu merken, über den Rand eines Abgrunds hinausrennt und ein paar Sekunden lang in der leeren Luft hängt, bevor sie begreift, wo sie ist, und dann verwundert und plötzlich sehr dumm aussieht und in den Tod stürzt.
»Warum willst du das jetzt noch wissen, Joe?«
»Hältst du mich für Stevie Wonder, Max? Glaubst du, ich brauche Blindenschrift, um zu kapieren, was läuft?« Joe beugte sich über den Tisch, genau wie er es bei Verhören tat, um den Verdächtigen einzuschüchtern. In den Falten auf seiner Stirn stand der Schweiß. »In welchen Winkel Alaskas wird Eldon mich versetzen?«
» Scheiße! Woher weißt du das?«
»NWS – Niggers Warnsystem. Funktioniert immer.« Joe sah Max in die Augen. »Du hattest nicht vor, mir das zu erzählen, oder?«
»Nein, ich … Tut mir leid …«
Joe brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und lehnte sich zurück. »Ich versteh schon. Es ist nicht deine Schuld. Eldon hat mich nie gemocht. So ist es überall. Egal, wie gut du in deinem Beruf bist, wenn den Leuten dein Gesicht nicht passt, kommst du nicht weiter. Wohin will er mich versetzen?«
»Presseabteilung.«
»Oh, das ist ja noch schlimmer als Verkehr.«
»Ich habe versucht, ihm das auszureden.«
»Das weiß ich, Max. Aber da rennt man gegen Wände, stimmt’s? Hat er gesagt, wann?«
»Wenn der Moyez-Fall abgeschlossen ist.«
»Dachte ich mir.« Joe nickte. »Abgang im Glanze guter Presse.«
»Eldon sagt, es wird große Veränderungen geben bei der Polizei. Ein Jahr oder zwei, und du bist wieder im Morddezernat.«
»Das ist Quatsch, das weißt du selbst, Max. Ich komme nirgendwohin, wo der mich nicht haben will. Ich sage dir, in zwei Jahren sind sämtliche Police Departments von Miami unter einem Dach zusammengefasst, und obendrauf sitzt Eldon und schmeißt den Laden. Das ist sein Lohn dafür, dass er jetzt den Wünschen der Fäkalienfee gehorcht.«
Max wusste nicht, was er sagen sollte. Joe hatte recht. Eldon hatte oft davon gesprochen, dass er die Polizei von Miami reformieren, sie in das südliche Pendant des LAPD verwandeln wollte, mit Sondereinheiten, die sich den drängendsten Problemen der Stadt widmeten: Kokain und Geldwäsche. Und die MTF war sein Pilotprojekt, die Vorschau auf den großen Film.
»Aber zurück zu Perabo«, sagte Joe. »Du hast den wahren Täter umgebracht, stimmt‘s?«
Tanner Bradley. Weiß, männlich, 46 Jahre alt, 1,78 Meter groß, 98 Kilo schwer. Lehrer für Englisch und Turnen an der Grundschule St. Alban’s. Lehrer von Norma Hughes und Charlotte Mazursky. Seit zwei Jahren an der Schule. Bei allen Schülern beliebt. Er war wie ein großer Bruder für sie, ihr bester Kumpel. Sie hatten einen Spitznamen für ihn gehabt: »Drillmeister Bradley«, aber das war liebevoll gemeint gewesen. Auch von seinen Kollegen wurde er geschätzt: immer pünktlich, immer hilfsbereit, wenn es um außerschulische Aktivitäten ging, aber, das sagten alle, nachdem er verschwunden war, ein Einzelgänger. Keiner hatte wirklich das Gefühl, ihn zu kennen.
Und damit hatten sie recht. Hätte die Schule sich die Mühe gemacht, seine Referenzen zu überprüfen, sie hätten festgestellt, dass sie
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