Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
als es so weit war, stellte Max fest, dass er es nicht konnte. Nicht einfach so, so kaltblütig. Er senkte die Waffe. Es konnte alles noch friedlich enden. Er könnte Bradley einfach befehlen, aus Florida zu verschwinden und sich nie wieder blicken zu lassen.
Doch bevor er etwas sagen konnte, fing Bradley plötzlich an zu keuchen und zu husten. Er sprang auf. Max befahl ihm, verdammt nochmal wieder auf die Knie zu gehen. Bradley hörte nicht auf ihn. Er kam sehr schnell auf ihn zu. Max hob die Waffe. Bradley legte die Hand an seinen Gürtel. Der Instinkt war schneller als der Verstand. Max jagte ihm zwei Kugeln in den Kopf, und Bradley fiel hintenüber.
In Bradleys Hosentasche fand Max, wonach er gegriffen hatte: sein Asthmaspray. Er hatte einen Asthmaanfall gehabt.
Max wischte die Browning sauber und schleuderte sie vom Rickenbacker Causeway ins Meer. Kurz darauf musste er anhalten, um sich zu übergeben.
Dann war er zum Trinken in einen Klub auf der Washington Avenue gegangen. Eine dicke Frau in paillettenbesetzter Silberbluse und goldener Satinhose hatte ihn gefragt, ob sie sich zu ihm gesellen dürfe. Sie hieß Harriett. Ihm kam der Gedanke, dass sie sein Alibi sein könnte, sollte die Geschichte ein Nachspiel haben – er dachte wie ein Mörder und war wieder kurz davon, sich zu übergeben. Er sagte, Klar, setz dich, ich heiße Max Mingus, ich bin Polizist. ‘N Abend, Officer, hatte sie kichernd gesagt. Sie hatten getanzt, dann hatte er sie mit nach Hause genommen und versucht, sie so weit abzufüllen, dass sie einschlief. Aber sie konnte einiges vertragen, also musste er sie vögeln. Die meiste Zeit hielt er die Augen geschlossen und dachte an Pam Grier. Dann fragte er sie, ob sie seinen Namen noch wisse. Sie hatte ihn Daddy oder Danny oder irgendetwas in der Art genannt.
Am nächsten Morgen konnte sie sich seinen Namen überhaupt nicht mehr merken, obwohl er ihn mehrmals erwähnte. Und dass er Polizist war, glaubte sie ihm auch nicht. Genau genommen wollte sie nichts weiter über ihn wissen. Sie behauptete, so etwas noch nie zuvor getan zu haben. Sie sei glücklich verheiratet, sagte sie, und ihr Sohn heiße Max.
Kein Mensch vermisste Tanner Bradley, erst recht nicht, nachdem in seiner Wohnung die Fotos gefunden wurden und seine Vergangenheit ans Licht gekommen war. Die Direktorin der Grundschule St. Alban’s legte ihr Amt nieder, genau wie die Personalleiterin, die seine Referenzen hätte überprüfen müssen.
Max vergaß ihn nie. Nicht das Gesicht, nicht den Blick in seinen Augen, nicht, wie er beim Weinen am ganzen Körper gezittert hatte, wie er sich in die Hosen gemacht hatte, als er um sein Leben bettelte, um Vergebung, um Verständnis, um Heilung. Über die Jahre war die Erinnerung ein wenig schwächer geworden, aber verblasst waren die Farben noch immer nicht. Es spielte keine Rolle, dass viele Menschen das, was er getan hatte, für richtig halten mochten, für ihn hatte es sich falsch angefühlt. Er hatte eine Grenze überschritten. Wieder einmal. Noch eine.
Oben auf dem Dach, am Morgen danach, hatte Eldon ihm einen simplen Rat gegeben: »Erschieß nie jemanden, der dir in die Augen sieht, weil du das Letzte bist, was er sieht, und das Erste, was er mit sich nimmt. Die Leute immer umdrehen. Erschieß sie von hinten. So schläfst du sehr viel besser.«
Und genau das hatte er bei den nächsten beiden Kindermördern getan, die er überführt hatte, aber nicht offiziell unter Anklage stellen konnte, weil die Fäkalienfee wieder einmal eine Gelegenheit entdeckt hatte, aus der Unmenschlichkeit Kapital zu schlagen.
»Woher hast du das gewusst?«, fragte Max, nachdem er seine Geschichte beendet hatte.
»Ich bin Detective. Das ist mein Job«, sagte Joe. »Aber so langsam musst du aufpassen, weil sich da mittlerweile ein ziemlich klares Muster abzeichnet. Kindermörder und -vergewaltiger, die mitten im Nichts mit zwei dicht nebeneinanderliegenden Eintrittswunden am Kopf aufgefunden werden, neun Millimeter Hohlspitz, aus kürzester Entfernung und sehr schnell hintereinander aus einer Automatik abgegeben – deine Spezialität. Wechselnde Waffen, aber sehr ähnliche Opfer und identische Vorgehensweise. Klingt doch ganz nach einem Polizisten auf Urlaub.«
»Es gibt keinerlei Hinweise auf mich.«
»Ich weiß«, sagte Joe. »Aber früher oder später wird irgendwer irgendwo Fragen stellen.«
»Und was willst du mir damit sagen?« Max steckte sich noch eine Marlboro an. Er hatte schon so viel
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