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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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das Easter 1916 eine ihrer Lieblingskneipen war, war sie seit langem nicht mehr dort gewesen. Bewusst oder unbewusst hatte sie einen Bogen um die Sessions gemacht, und jetzt erinnerte sie sich plötzlich wieder an Colm, wie er in einem Oxford Pub in einer Ecke gesessen und seine Flöte gespielt hatte, eingehüllt von der wunderbaren Musik. Er hatte immer mit geschlossenen Augen gespielt, mit den Fingern und den Lippen der Musik Ausdruck verliehen, hatte auf die Einsätze seiner Mitspieler gehört, ohne dass seine Augen daran beteiligt gewesen waren. Sie hatte sich manchmal gefürchtet, wenn er gespielt hatte. Er schien in eine andere Welt einzutauchen, in der sie ihn nicht mehr erreichen konnte. Sie wollte daran teilhaben, hatte sogar die Trommel ausprobiert, doch das war nichts für sie gewesen.

    Er hatte die besten Adressen gekannt, in Oxford und in London, und sie waren gern zusammen in die Pubs gegangen. Wenn sie mit Colm nach Irland gefahren war, hatten sie den Sessions in den örtlichen Pubs zugehört, und sie hatte die Verbundenheit, die Art, wie alte und junge Musiker einfach hereingekommen waren und mitgespielt hatten, zu mögen begonnen.
    In der Bar war es voll, sie bestellte sich ein Guinness und drängte sich in den überfüllten hinteren Raum, in dem die Musiker gerade begannen. Ein Geiger, ein Flötenspieler und ein Akkordeonspieler hatten schon angefangen, und der Trommler versuchte seinen Rhythmus zu finden, bevor er einstimmte. Sweeney ergatterte einen Stuhl, stellte ihr Guinness auf den Tisch, lauschte der Melodie und versuchte, die verschiedenen Instrumente aus dem Zusammenspiel herauszuhören.
    Dee Da Da Da, Dee Da Da Da Deedle Dee Dee Da Da, Dee Dee Dee . Sie nippte an ihrem Guinness und lächelte einem älteren Paar am Nebentisch zu. Die Frau klopfte mit ihrem Fuß gegen das Tischbein, ihr Mann hielt ihre Hand und tippte mit einem Finger an ihren. Sweeney musterte sie eine Weile. Sie wirkten glücklich, als täten sie in diesem Augenblick nichts lieber, als der Musik zuzuhören.
    Alle klatschten, als die Musiker verstummten und mit einer anderen Melodie begannen. Sweeney kannte dieses Stück, es war ein Volkstanz. »Die Lärche am Ufer«, eine wilde Ansammlung von Noten, die sich aneinanderreihten und die Melodie abwechselnd zurückhielten und vorantrieben. Na Na Na, Na Na Na, Na Na Na Nah. Na Na Na, Na Na Na, Na Na Na Nah.
    Sie schloss die Augen und verlor sich in dem Spiel der Flöte, die schelmisch die hohen harten Töne pflückte. Der Geiger war wirklich gut, und der Trommelspieler hielt den Takt, während das Akkordeon mit lang gezogenen, neckischen Tönen einsetzte, die aufwärts kletterten und lauter wurden.

    Die Musik versetzte sie in eine Art Trance, und auf einmal war sie wieder ganz klar im Kopf. Wenn er mit seiner Dissertation nicht weiterkam, hatte Colm immer gesagt, dass es ihm half, zu einer Session zu gehen, um seine Gedanken zu ordnen. Jetzt verstand sie, was er damit gemeint hatte. Die Geräuschkulisse der scheinbar unstrukturierten, aber logischen Noten erlaubten es ihr irgendwie, die Fakten und die Details der Informationen, die sie beschäftigten, zu rekapitulieren.
    Brad hatte sich vor seinem Tod um irgendetwas Sorgen gemacht, vielleicht war es der Schmuck oder die Häuser in der Back Bay oder etwas ganz anderes gewesen. So viel wusste sie bereits. Und in der Nacht, bevor er starb, war er laut Jennifer auf irgendjemanden wütend gewesen oder nein, er hatte vor jemandem Angst gehabt. Vor jemandem, der ihm nahestand. So viel stand fest. Was war dann passiert? Nun, dann war Brad ermordet worden. Jemand hatte eine Tüte über seinen Kopf gestülpt und den Schmuck auf seinem Körper drapiert. Das war der Knackpunkt. Irgendwo da lag der Schlüssel zu dem Ganzen, auch wenn sie nicht genau wusste, wo.
    Wenn Brad herausgefunden hatte, dass der Schmuck ein Beweis für Belindas Betrug war, hatte er vielleicht jemandem erzählt, dass er das aufdecken wollte. Und dieser Jemand, wer immer das gewesen sein mochte, hatte ihm vielleicht Angst gemacht. Unter Berücksichtigung von Jennifers Aussage machte das Sinn, oder etwa nicht? Brad hatte fortwährend davon gesprochen, dass er keinen Mumm in den Knochen hatte und dass in seiner Familie alles totgeschwiegen wurde. Was wäre, wenn er sich entschlossen gehabt hatte, zu reden?
    Aber so weit war sie auch vorher schon mit ihren Überlegungen gekommen. Wenn das tatsächlich so passiert war, warum hatte der Mörder dann den Schmuck am Tatort

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