Der Totenschmuck
Lunge, als er zuerst versuchte nicht zu atmen, aber dann nach Luft rang. Das Wasser war dunkel, seltsam zäh. Er versuchte genügend Kraft in seinen Gliedern zu sammeln, um sich nach oben zu schrauben, aber es war vergebens und er begann zu sinken.
Quinns Kopf machte einen Ruck; beinahe wäre er gegen das Seitenfenster auf dem Beifahrersitz in Marinos Chevy geschlagen. Er hatte geträumt. Bäume und Häuser flitzten draußen an ihnen vorbei. Die Sonne blendete ihn durch die Scheiben. Er blinzelte.
»Bist du okay, Quinn?«, fragte Marino. Der Lieutenant hatte ihnen aufgetragen rauszufahren, um mit Brad Putnams Mitbewohner und seiner Freundin zu reden. Marino passte das überhaupt nicht, weil Sonntag war, und er ließ seinen Unmut an Quinn aus.
»Jaja, entschuldige. Ich habe letzte Nacht nur zu wenig geschlafen.«
Marino warf ihm einen Blick zu. »Ist alles klar zu Hause? Wie geht’s dem Baby?«
»Doch, ja, gut. Tut mir leid wegen eben.«
»Na dann.« Er sprach diese beiden Silben betont herablassend aus. »Wenn du meinst.« Er fuhr über Gelb in der Massachusetts Avenue. »Erzähl mir von deinen Gesprächen.«
»Okay, gut.« Quinn setzte sich gerade hin und ordnete seine Gedanken. »Ich habe noch mal mit der Familie gesprochen.« Er zückte seinen kleinen Notizblock. »Samstagabend haben sie Folgendes gemacht: Andrew Putnam ist bei einer Benefizveranstaltung gewesen. Gesellschaft junger Künstler in Boston. Irgend so etwas. Er ist um zehn wieder zu Hause gewesen, hat noch ein paar Schreibtischarbeiten erledigt und ist ins Bett gegangen. Seine Haushälterin, Greta Bergheim, hatte an dem Abend frei und ist gegen Mitternacht nach Hause gekommen. Da stand sein Wagen in der Garage. Das hat sie zumindest gesagt.«
Marino hob die Brauen. »Denkst du, sie hätte einen Grund zu lügen? Läuft da was zwischen ihnen?«
»Wohl nicht. Sie ist irgendwie … Ich weiß auch nicht. Sie sieht nicht nach Andrew Putnams Typ aus.«
»Was ist mit der Mutter?«
»Kitty Putnam? Sie war in Newport unten. Kein Alibi, abgesehen von ihrem Vater, der in dem Haus lebt. Aber er ist sehr alt und scheint nicht mehr alles so genau mitzubekommen. Ich glaube nicht, dass er wissen würde, wenn sie mitten in der Nacht rausgegangen und später wieder zurückgekommen wäre. Das Haus ist so groß, das würde man nicht mal hören. Dann haben wir noch Jack Putnam. Er war auf einer Art Vernissage an dem Abend. Wusste nicht mehr, um wie viel Uhr er nach Hause gegangen ist. Ich habe das überprüft und einige der anderen Gäste haben bestätigt, dass sie ihn gesehen haben, konnten sich jedoch nicht erinnern, wann genau. Was Drew Putnam betrifft, war er mit seiner Frau am Samstag bei einer Abendesseneinladung. Das wird noch überprüft.« Quinn blätterte um. »Alle haben angegeben, dass die Putnams ganz normal gewirkt haben, so wie immer. Sie sind um ungefähr halb elf nach Hause gefahren, und Melissa Putnam ist sofort zu Bett gegangen. Sie hat ausgesagt, dass sie eine Schlaftablette genommen habe. Drew Putnam hat nach eigenen Angaben noch etwas Papierkram erledigt und ist
dann gegen halb eins ins Bett.« Quinn erriet Marinos nächste Frage und kam ihm mit der Antwort zuvor. »Kein Personal oder Ähnliches. Niemand, der das bestätigen kann. Ich habe bei den Nachbarn gefragt, aber in dieser Nachbarschaft weiß niemand darüber Bescheid, was der andere macht. Lange Auffahrten. Lauter Büsche und Bäume.«
»Und was ist mit der Schwester?«
»Camille Putnam. Sie war bei einem Essen anlässlich einer Spendenaktion. Ihr Manager hat sie gegen neun zu Hause abgesetzt. Da könnte allerdings etwas faul sein. Eine Nachbarin hat kurz nach elf aus dem Fenster geschaut und ihr Auto nicht gesehen. Es ist relativ auffällig. Ein schwarzer Jeep mit Nummernschildern vom Staatsdienst.«
»Stimmt das? Was sagt sie denn dazu?«
»Sie meint, die Nachbarin muss sich geirrt haben. Sie war die ganze Nacht zu Hause.«
»Hmm. Und was meinst du, Quinny? Wer ist dein Favorit?«
Quinn riss sich zusammen. »Nun, laut Obduktionsbericht hat kein sexueller Kontakt stattgefunden, aber das erklärt noch nicht, warum er dem Täter die Tür aufgemacht hat. Angenommen, er ist darauf abgefahren, den Schmuck zu tragen und gefesselt zu werden. Also hat er sich jemanden eingeladen, und der Kerl … oder die Frau, hat dann wohl …«
»Die Frau?«
»Na ja, wenn wir davon ausgehen, dass er gefesselt werden wollte , war das keine Tat, die sonderlich viel Kraft gekostet hätte, oder?
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