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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Brad? Was hat er daran so interessant gefunden, glauben Sie?«
    Raj zögerte, und als Sweeney ihn musterte, sah er sie aus
seinen braunen Augen ernst und unverwandt an. »Es war wegen seines Bruders, glaube ich. Er wollte mit seinem Bruder reden.«
    Sweeney starrte ihn an. »Was meinen Sie damit, er wollte mit seinem Bruder reden?«
    »Sein Bruder ist gestorben. Vor fünf Jahren ungefähr.«
    »Ich weiß davon, aber wie meinen Sie, wollte er sich mit ihm unterhalten?«
    Raj stand auf und schenkte sich Kaffee nach. Er befand sich jetzt in der Defensive. »Also, ich habe Ihnen gesagt, dass ich an dieses Zeug nicht geglaubt habe, aber wir haben vor ein paar Monaten auf dem Concord-Friedhof das Buchstabenbrett für spiritistische Sitzungen aufgebaut, und dann ist dieser Typ aufgetaucht und hat behauptet, sein Name sei Pete.«
    Sweeney sah Raj verständnislos an, der wissen wollte: »Haben Sie noch Gläserrücken ausprobiert?«
    »Doch, natürlich. Das ist bloß schon eine Weile her.«
    Das letzte Mal, als sie Gläserrücken gespielt hatte, war sie noch aufs College gegangen. Über Thanksgiving war sie auf dem Campus geblieben und eines Abends, auf dem Nachhauseweg von einem einsamen Film, waren ihr ein paar Mädels aus einer Clique begegnet, die Toby und sie die »Euro-Kids« getauft hatten, bestehend aus wohlhabenden, fern von ihren kulturellen Wurzeln lebenden Kindern saudischer Scheichs, englischer Lords oder indischer und pakistanischer Anwälte der oberen Kaste. Diese beiden, eine Engländerin namens Violet und eine spanische Schönheit, deren Name Sweeney nicht mehr wusste, hatten ihr erzählt, dass sie sich gerade ein Buchstabenbrett gekauft hatten und sie gefragt, ob sie raufkommen und mit ihnen zusammen damit herumexperimentieren wollte.
    Allein und gelangweilt - Toby war in Kalifornien und besuchte seine Mutter - war sie einverstanden gewesen. Sie hatten gekühlten Wein getrunken und sich mit den »Geistern« unterhalten. Sweeney erinnerte sich, dass sie lange mit jemandem
gesprochen hatten, der sich als schottische Hexe ausgegeben hatte, die im elften Jahrhundert am Pfahl verbrannt worden war und die sie beschwor, eine junge Kuh für sie zu töten. Das war damals alles sehr unheimlich gewesen - Sweeney war tief erschüttert und hatte mehrere Nächte lang zum Schlafen das Licht angelassen -, doch später hatte sie beschämt festgestellt, wie sehr ihr Unterbewusstsein die Finger bei der ganzen Sache mit im Spiel gehabt hatte. Sie hatte für ein Seminar etwas über die Hexenprozesse von Salem gelesen und erfahren, dass die Schuld an dem Tod von Vieh im mittelalterlichen Europa den Hexen zugeschrieben worden war. In ihrem Kopf hatte sie vermutlich alle Informationen in einen Topf geworfen und hatte ihre Hände dann entsprechend gelenkt. Anschließend hatte ihr jemand erläutert, dass es eine psychologische Erklärung für dieses Phänomen von spirituellen Erscheinungen beim Gläserrücken gab: Wenn eine Person ihre Hände ganz leicht mit dem Zeiger auf einen bestimmten Buchstaben zubewegte, folgten die anderen ihrem Beispiel. Mit dem Spielbrett wurde so eine Art kollektive unterbewusste Wirkung erzielt.
    Raj sagte: »Na ja, Sie wissen ja, alle legen ihre Hände auf das Glas in der Mitte, es bewegt sich und buchstabiert Wörter. So ging es die ganze Zeit um Ashley. Sie ist ganz besessen von dem Tod ihrer Zwillingsschwester - Victoria, hieß sie glaube ich - und Victoria ist fortwährend auf dem Buchstabenbrett erschienen und hat Ashley erzählt, dass sie sie liebt und all so was. Ashley hat sie gefragt, ob sie an einem schönen Ort ist, und Victoria hat geantwortet, dass er schön war, dass sie so friedlich war und so weiter. Blablabla. Wir anderen haben angefangen, uns ziemlich zu langweilen. Aber dann bewegte sich das Glas plötzlich - ich meine, es ist beinahe gehüpft, und wir haben ›wer ist da?‹ gerufen, so wie man das macht, und es begann zu buchstabieren, sehr schnell sogar - das hat mich wirklich umgehauen, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, hat das Glas ›Peter‹ buchstabiert.

    Wir alle kennen die Sache mit Brads Bruder, also haben wir ihn angesehen, und er hatte richtige Angst. Er hatte die Hände vom Brett genommen und sah aus, als wenn er aufspringen und einfach davonlaufen wollte. Aber wir haben ihn überzeugt, die Hände wieder zurückzulegen und es begann ohne Zögern zu buchstabieren. ›Du musst es ihnen sagen. Du musst es ihnen sagen.‹ Immer wieder. Brad wäre fast in Tränen

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