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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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oder irgendwer zu mir sagte, ich sei erwählt, denn ich sei IHRE Mutter! Wessen Mutter? Ich bin die Mutter von Grace! Was könnte Grace damit zu tun haben? Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
    »Rational gesehen nicht - aber wenn ich meiner Phantasie freien Lauf lasse ...«
    »Grace«, schnellte es aus Linda.
    »Ja.« Brad nickte dumpf.
    »Grace könnte SIE sein.«
    »Und du bist ihre Mutter. Sagte das Wesen nicht, seine Jünger würden sich um SIE kümmern?«
    Lindas Herz machte einen Sprung. »Wo ist Grace?«
    »Komm mit!« Brad schulterte die Kamera.
    Sie rannten Richtung Bar. Sie durchmaßen den weiten Raum, hin zum Panoramafenster. Von hier oben hatten sie einen wunderbaren Blick auf den Nil und hinunter auf das Promenadendeck. Wie üblich lagen dort faulenzende Reisende. Niemand war im Pool. Die Stühle, die Brad für Linda und Grace freigehalten hatte, waren leer.
    Linda wirbelte herum. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Grace ist nicht da.«
    Brad schluckte hart. Er stützte sich mit der Handfläche am Fensterglas ab und verrenkte seinen Kopf. »Ich kann sie nirgendwo sehen.«
    »WO IST GRACE?« Lindas Stimme wurde hörbar schriller. Panik schwang in den Worten mit. Panik und maßlose Sorge.
    »Sucht ihr mich?«
    Linda holte tief Atem. Es war Graces Stimme. Sie stand hinter ihnen. Dem Himmel sei Dank! Ihr war nichts geschehen. Sie war hier bei ihnen. Linda nahm sich vor, ruhig zu bleiben. Sie wollte ihre Tochter nicht beunruhigen. Noch einmal seufzte sie, dann drehte sie sich um und strich Grace sanft über die Wange. »Wo warst du? Wir haben dich gesucht.«
    »Mom ... ich muss dir was erzählen. He, Brad ... du wirst es nicht glauben ...«
    »Ab sofort glaube ich auch, dass der Weihnachtsmann ein Bruder des Osterhasen ist«, murmelte Brad.
    Sie nahmen in einer der gemütlichen Sitzecken Platz. Brad winkte der Bedienung. Sie bestellten. Grace und Linda je eine Cola. Brad bestellte sich ein Bier.
    Mit wenigen Sätzen berichtete Grace, was sie erlebt hatte. Brad und Linda schwiegen. Die Bar war sonnendurchflutet. Wenige Meter unter ihnen lagen die anderen Reisenden auf ihren Liegestühlen. Von hier oben konnte man sie gut beobachten.
    »Es sieht alles ganz normal aus«, murmelte Brad.
    »Bis auf die Tatsache, dass niemand im Pool ist und sie alle genauso da rumliegen, wie vor einer Stunde. So, als habe man sie einfach da hingelegt. Wie Puppen«, wisperte Grace. Sie hatte sich das Badehandtuch über die Schulter geschlungen. Ihr Badeanzug war noch etwas klamm, und die Klimaanlage ziemlich kalt.
    »Ich gehe mich erst mal umziehen«, sagte Grace fröstelnd.
    Linda schoss vor. »NEIN!«
    Grace blickte fragend.
    Linda räusperte sich. Sie legte ihrer Tochter sanft die Hand auf den Arm. »Ich möchte, dass du im Moment noch bei uns bleibst.« Ihre Stimme vibrierte leicht.
    Der Kellner servierte die Getränke, notierte die Kabinennummer und wollte sich davon machen. Brad hielt ihn zurück. »Sagen Sie ... wann fahren wir weiter?«
    »Heute am frühen Abend. Gegen 17 Uhr! Dann geht es Richtung Assuan. Dort kehren wir um und übermorgen treffen wir wieder in Luxor ein.«
    »Wird das Schiff die ganze Nacht unterwegs sein?«
    »Richtig, Sir. Morgen nach dem Frühstück werden wir in Assuan eintreffen.«
    Brad bedankte sich. Der Kellner ging weg. Sie waren alleine. Grace fror.
    Brad zog sich das T-Shirt über die Schultern. »Nimm das! Ich hoffe, es passt.« Er blinzelte schelmisch.
    Grace zog es über. »Okay, Brad. Es passt. Ist nicht zu eng, falls du das dachtest.« Sie griff unter das Shirt, in dem sie zu versinken drohte, und löste das Bikinioberteil.
    »Na, wusste ich’s doch. Du siehst bezaubernd aus.«
    Grace streckte Brad die Zunge heraus.
    Linda blickte zwischen Mann und Kind hin und her. Sie verstanden sich wirklich prächtig. Für einen Moment verharrte ihr Blick auf Brads athletischem Oberkörper. Welche Art Sport trieb ihr - Arbeitskollege? Bisher hatte sie ihn immer für einen ziemlich bequemen Mann gehalten. Wenn sie jedoch seine Figur betrachtete ...
    Ein schrilles Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Ein Nilschiff kam ihnen entgegen. Touristen winkten zu ihnen herüber.
    »Schaut nur ...« Grace zog ihre Schultern hoch und zeigte nach unten zum Deck hin. »Niemand hat zurückgegrüßt. Niemand!«
    »Das stimmt«, knurrte Brad. »Ich erinnere mich, dass sonst, wenn uns ein anderes Schiff begegnete, jeder an Bord gestikulierte, als ginge gleich die Party des Jahres los.« Er schüttelte den Kopf.

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