Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
du lieber en deshabillé in die Küche gehen.«
»Wir versuchen, nicht aufzufallen, Lord Langford.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr. Stilson und seine Frau solche Verfechter von Anstand sind. Aber wir können versuchen, etwas anderes für dich zu finden.«
»Ich habe meine eigene Kleidung zu Hause.«
»Ja. Aber jetzt befinden wir uns hier, nicht wahr?« Er umrundete den Raum und zog weitere Laken herunter. »Ich glaube, hier gibt es irgendwo eine Truhe, in der sich überzählige Kleidung für die Bediensteten befindet. Als Junge habe ich mich daraus immer bedient. Sehr günstig, wenn man sich aus dem Haus schleichen möchte.«
»Hör mal … Ich werde einfach etwas von dir tragen.«
Er sah zu ihr auf, während er von einem weinroten Fenster eingerahmt wurde. Sein Blick blieb ihr verborgen, da sie von dem hinter ihm einfallenden Licht der Straßenlaterne geblendet wurde, aber sie konnte ihn spüren.
»Was für eine interessante Vorstellung«, sagte er. »Du in Kniebundhosen.«
Sie spürte, wie ihre Haut brannte. »Das habe ich früher auch schon gemacht. Häufig sogar.«
»Daran zweifle ich nicht.« Draußen rumpelte eine Kutsche vorbei. Die Hufe der Pferde bildeten einen markanten Gegensatz zu dem helleren Klirren des Geschirrs und kleiner, daran befestigter Glöckchen.
»Und?«
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe mir nur gerade Stilsons Gesicht vorgestellt, wenn er dich zu sehen bekommt.«
»Ich werde mein Haar zurückbinden. Du stellst mich als Mann vor.«
Er lachte, jedoch freudlos.
»Es wird funktionieren«, beharrte sie empört. »Es hat immer funktioniert. Ich bin etliche Male als Mann in der Gesellschaft aufgetreten. Hunderte Male.«
»Die Gesellschaft muss noch viel, viel dämlicher sein, als selbst ich es für möglich gehalten habe«, murmelte Christoff und schob sich an ihr vorbei zur Tür.
Aber er musste sie gar nicht vorstellen. In der Speisekammer der Küche fand sich eine geeignete Mahlzeit, bestehend aus geräuchertem Schinken, Roggenbrot und hartem, gelbem Käse. Sein Gast hatte naserümpfend die eingelegten Gurken und den Krug mit gesalzenem Dorsch verschmäht. Als sie fertig waren, wagte es Kit schließlich, Mr. Stilson und seine gute Frau zu wecken. Durch die Tür hindurch erklärte er ihnen, dass er für kurze Zeit in der Stadt sei, dass er einen alten Vertrauten aus Cambridge mitgebracht habe und dass ihm aufgefallen sei, ihnen stünde ein Urlaub zu, den sie antreten könnten, sobald sie wollten. Sie hätten doch eine Tochter in Cornwall; er würde ihnen mit Freuden die Fahrt dorthin und zurück bezahlen.
Als er an diesem Punkt angekommen war, hatte Stilson die Tür geöffnet, unrasiert, aber seinen Stock fest in der Hand, die Perücke gerade auf dem Kopf, und seine blauen Augen wurden im Schein von Kits Kerze wässrig. Vielleicht hatten ihn die Jahre unter dem harschen Regime des alten Marquis gelehrt, weder späte Stunden noch seltsame Anweisungen zu hinterfragen. Er dankte Kit für das Angebot und sagte, wenn es der Lord gestatte, würden er und seine Frau am Morgen abreisen.
Rue, die in der Küche außer Sichtweite geblieben war, schnaubte wenig damenhaft. Kit hoffte, dass er der Einzige gewesen war, der das gehört hatte.
»Wie gut du das kannst«, bemerkte sie, als er zurückkam. Sie saß im Schatten der Lampe, die er bei ihr gelassen hatte, auf einem Stuhl neben dem Hackklotz und riss ein Stück Brot in Stücke. In Far Perch gab es immer Kleidung in Reserve für den Lord, und so war sie nun wie ein Edelmann gekleidet, in Wildleder und gebleichten Batist. Der Eindruck wurde jedoch gänzlich von der Tatsache zunichte gemacht, dass alles, was Kit besaß, mehrere Nummern zu groß für sie war. Die Hemdsärmel waren zwar aufgerollt, fielen ihr jedoch trotzdem bis auf die Finger. Seine Kniebundhosen reichten ihr bis zu den Waden. Sie sah aus wie ein Schulmädchen, das sich für ein Theaterstück verkleidet hatte, ungeachtet der Tatsache, dass sie seinem Blick wild entschlossen begegnete.
Er stellte seine Kerze neben den Klotz. »Wie gut ich was kann?«
»Anderen Leuten deinen Willen aufzwängen.« Sie steckte sich ein Stück Brot in den Mund.
»Oh. Ja. Ich bin von zartem Alter an in der feinen Kunst ausgebildet worden, andere zu beherrschen. Auch wenn ich inzwischen festgestellt habe, dass es viel leichter ist, wenn man auch für deren Lohn verantwortlich ist.«
Sie blickte auf ihr Brot, und ihre Haare fielen wie ein schillernder Wasserfall über ihre
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