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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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zu hören. Rue strengte sich an, um die Bratsche aus den Streichern und Hörnern und Flöten herauszuhören, aber es gelang ihr nicht.
    Sie hielt die Maske vor ihr Gesicht und die Wimpern niedergeschlagen, um Züchtigkeit vorzutäuschen, als sie am Rand des Gemüsegartens auf die erste Dienerin stießen - ein Küchenmädchen auf der Suche nach einem Eimer - und auf einen weiteren Lakaien, der ihnen nur etwas zumurmelte und unter Verbeugungen den Weg freimachte. Als sie die eigentlichen Gärten erreichten, kamen sie immer wieder auch an anderen Paaren vorbei; vom Wein angeheiterte Gäste in grellbunter Seide und Pailletten, die sie nicht gut genug mit der Dunkelheit verschmelzen ließen.
    Nebel hing am Himmel. Dahinter war ein Halbmond aufgegangen, einsam und weit entfernt, regenbogenfarben vom Dunst.
    Vor dem offenen Innenhof, der zum Ballsaal führte, blieb Kit stehen und sah mit zusammengepressten Zähnen hinaus in die Nacht. Die Menschen hinter den Türen bildeten ein Mosaik aus Farben und Bewegung.
    »Das Podium der Musiker befindet sich rechts«, sagte Rue. »Vor der östlichen Wand.«
    »Ich weiß.« Sie hörte, wie er tiefer als zuvor einatmete, dann warf er ihr einen Blick von der Seite zu. »Bleib nah bei mir, kleine Maus.«
    »Das werde ich.«

    Sie mischten sich unter die Anderen . Sofort strömten Gerüche und Licht und Laute auf Rue ein, aber die Jahre der selbst auferlegten Disziplin halfen ihr, sie zu ertragen. Sie konnte ihre Konzentration auf bestimmte Besonderheiten lenken, zum Beispiel auf das Drücken der Schuhe an ihren Füßen. Die Geräusche der Schritte auf dem Fußboden. Den Widerschein des Kerzenlichts auf der Punschschale. Tabakduft. Den Geruch von Zucker. Die schleppenden Worte einer Dame, die ganz in Rosa gekleidet war. Die Musik.
    Die Bratsche.
    Sie schlenderten am Rand des Zimmers entlang, langsam, weil sie sich nur vorsichtig bewegen konnten, die Masken vor dem Gesicht, ohne miteinander zu sprechen. Jemand drückte Rue ein Glas Champagner in die Hand, das ihre Finger so kühlte, dass sie taub wurden.
    Mit ihren solchermaßen geschärften Sinnen spürte sie, wie eine Veränderung in Christoff vor sich ging. Zunächst war sie nicht greifbar, sondern nur ein seltsamer, elektrischer Wirbel, der die ganze Luft um sie herum in Aufruhr zu bringen schien und in einem trockenen Strudel alle Hitze und Kälte und alles Licht zu ihm hinabzuziehen begann. Sein Körper versteifte sich. Seine Schritte wurden länger und entschlossener. Selbst sein Gesicht veränderte sich. Seine Züge wurden härter, die schwachen Linien, die es durchzogen, glätteten sich, sodass sein Antlitz wie polierter Stein aussah. Unter dem goldenen Puder war er strahlend und entrückt und überhaupt nicht sterblich.
    Mit jedem Schritt veränderte sich sein Wesen - der Jäger in ihm erwachte und wurde immer stärker. Als sie in Sichtweite der Musiker angekommen waren, knisterte er beinahe vor grimmiger, brennender Energie, und sein Arm war unter ihren Händen zu Stahl geworden; alles an ihm war angespannt
und bereit. Sie hielt ihre Finger so leicht auf seinen Ärmel gelegt, wie es ihr möglich war. Beinahe ängstigte sie diese Veränderung, denn der beeindruckende Mann verschwand und gab den Blick frei auf das dunkle und lauernde Tier, das in ihm schlummerte. Alpha.
    Es ängstigte sie, und es erregte sie. So war er in der Menagerie nicht gewesen. Und auch nicht in Mims Gegenwart. Sie wusste, dass sie nach dem Läufer suchen musste, aber Kit zog ihren Blick auf sich wie eine schreckliche Flamme und dunkle Magie. Sie wollte nirgendwo anders hinschauen.
    »Dort«, flüsterte er. Sie folgte seinem Blick zu den Musikern, die auf dem Podest saßen und ihre Geigen und Querflöten und Tamburine in den Händen hielten.
    Der Mann mit der Bratsche wandte ihnen den Kopf zu, unterbrach sein Spiel aber nicht; sein Gesicht war hinter einer Maske aus glänzendem Samt verborgen. Ihre Blicke kreuzten sich. Rues Magen krampfte sich zusammen.
    Sie hatte die Sache nicht bis zu Ende gedacht. Sie hatte sich nicht überlegt, wie es in diesem Augenblick weitergehen sollte. Christoff war voller Vernichtungswillen, er konnte fliegen, ihn zur Strecke bringen …
    Drei Männer, hatte er gesagt. Er hatte drei Männer getötet. Und schon bald würden es vier sein.
    »Bleib hier«, sagte er zu ihr, und seine Lippen bewegten sich kaum. Ohne nachzudenken, klammerte sie sich an seinen Arm.
    »Warte …«
    »Langford!« Ein Mann, von Alkoholschwaden umgeben,

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