Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
war meist schweigsam, wie es ihre Art war, dachte Zane. Von Rues Kindern, so erinnerte er sich, war Amalia immer die Stillste gewesen, und wann immer er sie gesehen hatte, trödelte sie allein hinter ihren Geschwistern her. Zwar lachte sie mit ihnen, wenn man sie mit einbezog, machte die Scherze mit, wenn sie angestachelt wurde, doch sie blieb distanziert. Sonderte sich ab.
Braunäugig, goldhaarig; ein knochiges, kleines Mädchen
zwischen all den hübschen Drachenkindern. Nur zu gut entsann er sich ihrer Zurückhaltung.
Aber so blieb es an ihm, das Gespräch zu bestreiten, und Zane hatte nie gelernt, dies mit Genuss zu tun. Bevor Rue in sein Leben getreten war und seine Umgangsformen so weit geschliffen hatte, dass sie annähernd zivilisiert zu nennen waren, hatte er sich Gespräche in gleicher Form zunutze gemacht, wie er sein Einbruchswerkzeug verwendete - um in Übung zu bleiben und Informationen zu erlangen, und das war alles. Freundliches Geplauder war etwas für die vornehmen Herrschaften, die nicht zu arbeiten hatten. Und auf die eine oder andere Art arbeitete Zane immer.
So kam es, dass sie ihre Mahlzeiten auf dem Land schweigend einnahmen, nachdem ihnen Bauern, in grobe Wolle gekleidet, Eintopf, gebratenes Schweinefleisch und dampfenden, gekochten Kohl serviert hatten. Zane beobachtete verstohlen das Spiel des Feuers auf Lias Gesicht. Oder die Art und Weise, in der sich ihre Lippen bewegten. Oder wie sich ihre Haare scheinbar nie richtig bändigen ließen, doch trotzdem vollkommen aussahen mit diesen vereinzelten Strähnen, die sich in ihrem Nacken und auf den Schultern lockten wie auf einem gemalten Porträt, gleichgültig, wie fest sie die Frisur festgesteckt hatte.
Gasthäuser auf dem Land waren zugige Orte. Immer wieder öffnete jemand eine Tür oder schob ein Fenster hoch, und schon tanzten Lias gelöste Strähnen, und Zane fand sich von ihrem Geruch umgeben, dem Duft von kalten Winterrosen, der so zart war, dass sich die Härchen auf seinen Armen aufstellten, und so süß, dass er den Gestank des Kohls vertrieb.
Sie legte keinen Haarpuder mehr auf. In Jászberény, wo
sie die nötigen Dinge für ihre Toilette erstanden hatte, hatte sie nicht einmal mehr welchen gekauft. Beinahe wünschte er sich, er wüsste nicht, warum.
Aber er wusste es.
Auf eine gewisse Weise waren die vergangenen drei Tage wie ein angenehmer Traum gewesen; denn obwohl die Sonne warm schien, das Weideland sich malerisch vor ihnen ausbreitete und niemand ihnen folgte - ein weiterer Grund, um auf dem Kutschbock mitzufahren - wusste Zane tief im Innern, dass es so nicht bleiben würde. Die Göttin Fortuna war nicht so gnädig.
Er war ein Bastard in Verkleidung eines Gentleman. Lia war ein Rätsel, gekleidet wie eine Lady. So unwahrscheinlich es auch sein mochte, Zane hätte alles darauf verwettet, dass irgendjemand wusste, wo - oder was - sie in Wirklichkeit waren, einer von ihnen oder beide. Und was sie vorhatten.
An diesem vierten Morgen brachen sie auf und drangen immer höher in die ansteigenden grünen Hügel vor, die nach Transsilvanien führten. Während sich hinter ihnen am Himmel die Wolken dünn und schimmernd ausbreiteten, konnte Zane das Gefühl nicht abschütteln, dass dieser Tag, dieser kalte, kristallklare Tag, das Ende ihrer Glückssträhne bringen würde.
Und er sollte recht behalten.
Sie hatte es satt, im Inneren der Kutsche mitzufahren. Sie hatte die ganze Kutsche selbst satt. Sie war das beständige Schaukeln leid, die Pferde, die voller Angst scheuten, wenn sie sie sahen, den Kutscher, der sie angrinste, Zane, der nicht aufhörte, ihrem Blick auszuweichen, und diesen elenden, elenden Diamanten, der durch die Luft hinweg für sie sang,
denn diese Sinfonie wurde kein bisschen leiser, je näher sie kamen.
Lia presste die Finger an ihre Schläfen und seufzte. Sie konnte nicht mehr schlafen. Wie der Ruf von Draumr, so wurden auch die Träume stärker. Klänge, Gerüche. Seine Lippen, seine Hände, die jede Nacht ihren Körper liebkosten, Küsse und Flüstern. Dann erwachte sie entsetzt und glaubte, es geschehe tatsächlich. Es geschehe bereits tatsächlich.
Doch noch immer schlief sie allein. Wie lange noch, konnte sie nicht sagen. Drohend lag die Zukunft vor ihr, und noch immer hatte sie nicht herausgefunden, wie sie zu vermeiden wäre.
Sie würde seine Geliebte werden. Das hätte ebenso gut in den Sternen am Himmel stehen können. All diese Träume endeten stets gleich. Und wenn es geschehen würde,
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