Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
Handfläche.
Ein Lächeln breitete sich auf Zanes Gesicht aus.
»Ist das nicht der Teil, wo du anmutig zu weinen beginnen und mich bitten müsstest, mich zu verändern, meine Abwege zu verlassen und ein ehrbarer Mann zu werden?«
»Wer von uns hat wohl zu viele Groschenromane gelesen? Ich halte dich bereits für einen ehrbaren Mann.«
Er schüttelte den Kopf. »Dann kennst du mich nicht.«
Sie erwiderte nichts. Sie blieb stehen, mit den Füßen im Schlamm, ließ sich den Wind ins Gesicht wehen und hörte das weiche, leise Plätschern des Baches, den Schnee, der schmolz und von den Bäumen tropfte, und den Diamanten, der unter ihr flüsterte und lockte.
Zane griff nach einem Kiesel und warf ihn ins Wasser.
»Mal es dir doch mal aus, mein Herz. Was würde mit uns geschehen? Wir würden uns mit Papas Belohnung in Darkfrith zur Ruhe setzen! Und ich würde ein traniger Kerl vom Lande werden, der alt, gelangweilt und fett am Feuer sitzt - natürlich nur, wenn ich nicht gerade vor deiner Familie auf der Hut bin, die, das kann ich dir versichern, das alles andere als lustig finden würde. Zweifellos haben sie bereits irgendeinen Ehemann für dich vorgesehen, mit scharfen Augen und spitzen Krallen, und so müsste ich mich auch vor ihm in Acht nehmen. Innerhalb eines Jahres würdest du mich verachten.«
»Nein.«
»Dann würde ich mich selbst verachten. Lia, alles, was ich bin, ist das, was ich tue. Ich bin nicht für eine zahme Art zu leben geschaffen. Ich gehöre nicht in eine ländliche,
friedliche Umgebung, Ich bin eine Stadtratte. Das gefällt mir. Dafür bin ich geboren. Und ich kann nicht von dir erwarten, dass du so wie ich lebst. Ich würde das nicht für dich wollen. Aber es ist alles, was ich dir anbieten kann.«
»Dann - akzeptiere ich.«
Er presste sich eine Hand auf die Stirn und begann zu lachen.
»Es ist, als klebte ich auf einem Fliegenfänger. Du hörst mir gar nicht zu.«
»Ich habe gehört, was du gesagt hast. Ich bin nicht so hoffnungslos romantisch, wie du denkst. Ich will nicht, dass du mir den Himmel und die Sterne zu Füßen legst. Ich will keine Edelsteine oder Gold. Das alles habe ich bereits. Ich will … eine Hand, die mich stützt. Eine freundliche Seele. Ich will einschlafen und wieder aufwachen im Wissen, dass mein Herz in Sicherheit ist. Ich will lieben und geliebt werden.«
»Ich liebe dich nicht.«
»Du bist wirklich ein guter Lügner.«
»Ich will dich.« Er drehte sich um und machte einen Schritt auf sie zu, sehr entschlossen plötzlich, und alles Scherzhafte war aus seinem Gesicht gewichen. Sein Halstuch war eng gebunden, sein Haar hinten zusammengeknotet; er hätte ein englischer Gentleman sein können, der ihr irgendwann zufällig im tiefen Wald begegnet, aber das war er nicht. Wenn er sich bewegte, verdunkelte sich für sie die Sonne. Das Licht umflackerte seinen Kopf wie ein Heiligenschein. »Ich will dich immerzu, und das ist die aufrichtige Wahrheit. Ich will dich wieder berühren, ich will in dir sein. Ich will dich zum Schreien bringen, und, zum Teufel, ich weiß, dass du das auch willst. Aber mach dir nichts vor. Das ist keine Liebe.«
Sie wich nicht zurück. Sie schämte sich, und ihr war schwindlig, und sie wusste nicht, ob das an der Sonne, an ihm oder dem Mangel an Nahrung lag, und auch nicht, welche Rolle das noch spielte.
Du wirst die Zukunft nicht verändern, flüsterte der Drache . Du kannst ihn nicht zwingen, dass er sich dir ernstlich zuwendet.
Irgendwo in weiter Ferne stieß ein Adler einen einzigen, spitzen Schrei aus, ein anderer antwortete, und ihre Rufe verhallten in den Hügeln.
Zane senkte den Kopf. Sein Mund berührte den ihren, kühl und leidenschaftslos. Es war der Kuss eines Schmeichlers, und Lia spürte, wie ihr Herz einen schmerzhaften Satz machte.
»Ist das die Liebe, die du meinst?«, fragte er und legte ihr seine Hände auf die Schultern. Seine Lippen fuhren über ihre Wangenknochen. »Ist das die Verlässlichkeit, die du suchst?«
Auch sie hob die Hände und klammerte sich an den Stoff seines Mantels. Sie hob ihr Gesicht ins Sonnenlicht, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, sodass die Welt hinter ihren Augenlidern rot wurde.
Der Mantel stammte aus Jászberény; der Stoff war rau und kratzte und war ganz anders, als der weiche Stoff darunter, die Damast-Weste auf seiner heißen Haut. Aber die Tatsache, dass sie wusste, was darunterlag, reichte aus, um sie zu erregen. Sie hatte ihn bereits einmal gehabt. Sie hatte ihn
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