Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
sollten, Drachen zu jagen. Aber ihr seid beharrlich.
Ich verstehe eure Wut, euren Neid, eure blutkalte Furcht vor uns. Ich verstehe sogar euer Bedürfnis, uns Schaden zuzufügen. Auch gebe ich zu, dass es vor sehr, sehr langer Zeit solche unter uns gab, denen der Geschmack von Menschenfleisch gefiel - ich allerdings muss sagen, dass ich kaum euren Gestank ertragen kann. Euch zu verschlingen wäre bestenfalls ekelhaft.
Aber es dauerte sehr lange, bis ich verstand, weshalb ihr das Bedürfnis habt, uns das Herz auszureißen, nachdem ihr uns getötet habt. Geschieht das, um die Illusion eurer Stärke zu beweisen? Um den kurzen, hohlen Sieg über eine Kreatur zu verlängern, die größer ist als ihr selbst?
Ich glaube Folgendes, und es kann euch wirklich kaum überraschen: Ihr wünscht, ihr wärt wir. In den schwarzen, stickigen Kammern dessen, was ihr Seele nennt, glaubt ihr, eure Schwäche dadurch auszugleichen, dass ihr unseren innersten Kern fresst. Unsere Herzen, die pochenden Muskeln unserer Macht.
Nun, fresst nur weiter. Ihr werdet trotzdem verlieren.
7
Es handelte sich um einen riesigen, geheimnisvollen Ort. Chasen Manor enthielt all die Verlockungen eines opulenten Palastes mit verschwenderisch verteilten Steinkristallen und wertvollen Metallen, Ölgemälden von Villen und Schiffen mit Masten und Leuten, die nicht lächelten. Es gab Büsten aus gemeißeltem Jaspis und Alabaster und glänzend schwarzem Onyx, zudem Statuen von Göttinnen mit Pfeilen in den Händen und ein Paar Bronzelöwen, die sich um eine Ecke der Haupttreppe schlichen.
Und überall waren Drákon.
In Zaharen Yce floss Drachenblut durch die Adern fast jeder Person, die seine Hallen durchschritt, ob Freier oder Edelmann oder Leibeigener. Es gab ein paar Drákon wie hier, deren Gaben ganz offensichtlich waren, aber die Zeit hatte die Bewohner der Burg ausgedünnt. Die meisten der Übriggebliebenen waren eher Menschen als sonst etwas. Sie lebten dort, verrichteten dort ihre Arbeit, und das Echo einer gemeinsamen großen Vergangenheit hielt sie alle an das Land und das Fürstentum gebunden. Aber jedes einzelne Wesen, das Maricara hier spürte - in den Korridoren, den prächtigen, eleganten Räumen, über und sogar unter ihr, auch ganz tief unten, wo sich allem Anschein nach die Keller befanden - strahlte das deutliche, funkelnde Gefühl aus, ein Drákon zu sein.
Sie waren keine Leibeigenen. Wenn sie sie anschaute, starrten sie kühn zurück, sowohl Männer als auch Frauen. Sie trugen das Haar in gepuderten Locken oder hatten sich mit Perücken aus Menschen- und nicht etwa Pferdehaar geschmückt. Sie funkelten geradezu vor Krawattennadeln und
Halsbändern und Ohrringen, die ihrerseits Melodien hervorbrachten, laute und leise, wenn die Prinzessin sich ihnen näherte und sich dann wieder entfernte.
Hier gab es keine in den Wänden versteckten Diamanten. Sie nahm an, dass dies nicht nötig war. Maricara hatte sich noch nie unter so vielen Leuten aufgehalten, die vor Edelsteinen nachgerade strotzten. Selbst der maßgeschneiderte Rock des Grafen wies Bänder von Saatperlen auf, die man auf Aufschläge und Manschetten gestickt hatte. Sie hob eine Hand, um sie mit den Fingerspitzen berühren und ihr leises, angenehmes Summen spüren zu können, während sie durch die Hallen schritt.
Ihre Nacht war Vergessenheit gewesen. Sie war in die Wälder zurückgekehrt, ohne dass ihr jemand folgte - wie es schien, hatte der Graf nicht einmal den Versuch unternommen -, und hatte ihren geheimen Baum und den Koffer wiedergefunden. Auf dem Weg hierher hatte Maricara in allen Arten von Unterkünften geschlafen, von nasskalten Höhlen bis zu leeren Dachböden. Einmal hatte sie ein erstaunliches Schlafgemach mit silbernen Spiegeln und vergoldetem Holz gefunden mit einer Federmatratze, die unter ihrem Gewicht nachgab wie eine Wolke. Der Sonnenuntergang an diesem Abend hatte die Glasoberflächen getroffen und den Raum mit blendendem bernsteinrosa Glanz erfüllt, hatte die Muster aus sich kreuzenden, gemalten Lavendelstängeln betont, welche die gesamte Tapete bedeckten.
Das war in Beaumont-sur-Vesle gewesen. Frankreich war mit verlassenen Landgütern geradezu übersät.
Letzte Nacht hatte sie auf Blättern geschlafen, die zwischen den uralten, krummen Wurzeln der Eibe aufgehäuft lagen. Stunden später war sie genau dort aufgewacht, wo sie hätte sein sollen, immer noch in die Decke gehüllt, die sie
mitgebracht hatte. Niemand schien sie entdeckt zu haben. Nichts
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