Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
ehemaliger. Er war ein gottverdammter Heiliger.
Außerhalb des Herrenhauses versuchte Kimber, sich ihr nicht allzu oft anzuschließen. Sie hatte klargestellt, dass es ihrer Gewohnheit entsprach, allein zu jagen, und Gott wusste, wie sehnlich er sich einen Erfolg erhoffte, wie auch immer dies zustande kommen mochte. Aber er blieb so nahe wie möglich bei ihr, ohne an ihr zu kleben. Er konnte nicht anders; sie stieg in die Lüfte, und die Männer des Stammes vollzogen mit ihr die Wandlung. Sie war Rauch, sie war Drache. Wie und wohin auch immer sie reiste, folgte ihr eine Wolke von entfernten Bewunderern wie Sternenstaub um einen Kometen.
Immerhin wusste er, dass sie gut bewacht wurde. Sollte sie ihn brauchen, sollte es ihr zufällig gelingen, den winzigen Hinweis zu entdecken, den keiner der Drákon finden konnte …
Aber sie schaffte es nicht. Es gab keine Hinweise, die man hätte aufspüren können. Es gab nur den Regen, Sturm und den Mond - oder Sturm und die Sonne. Falls sich Sanf in der Nähe aufhielten oder dieser seltsame, teilweise Drákon, dann entdeckte das jedenfalls niemand, nicht einmal Maricara.
Die vertrauenswürdigsten seiner Männer hatten die Erlaubnis bekommen, sich aufzuteilen und in die Städte zu gehen. Am vierten Tag flog einer von ihnen als Rauch von Harrogate zurück und teilte Kimber mit, er glaube, dort etwas gespürt zu haben. Etwas wie ein Drachen-Mädchen. Lebendig.
Es handelte sich um Rufus Booke, einen von den alten Kumpanen seines Vaters, stämmig und verschlagen und nicht zu Übertreibungen neigend. Kimber war augenblicklich mit ihm in die Luft gestiegen.
Nach weniger als fünf Meilen, als die Sonne aus der dicken Luft niedersank und als dunkelgelbes Band die dünne, wässrige Linie zwischen Himmel und Erde markierte, trieb ein neuer Rauchwirbel näher heran.
Selbstverständlich erkannte Kimber sie. Er kannte sie in jeder Gestalt, wusste, wie sie am Wind entlangglitt - ihre leichten, wunderbaren Bewegungen, immer noch weiblich, selbst in der Form einer dünnen Dunstschicht. Er kannte sie wach und im Schlaf. Mochte der Stamm auch am Rand der Panik stehen, mochte er selbst ohne Unterlass darauf drängen, das Mädchen zu finden, eine Lösung für die Sanf inimicus und die Aussicht auf Auslöschung zu entwickeln
- sie war bei ihm. Sie war immer da, zumindest in seinen Gedanken.
Kimber war sein Leben lang Alpha gewesen. Spekulationen darüber, wen er heiraten würde, hatten ihn all die Jahre über verfolgt. Die Mädchen der Grafschaft hatten ihm unter ihren sehr anständigen Spitzenhäubchen hervor lange, viel weniger anständige verführerische Blicke zugeworfen, jede von ihnen so wie er, nämlich nach der Führung strebend. In ihrer scharfäugigen Schönheit und ihrer süßlich tückischen Art ahmten sie ihn nach, jedenfalls ein wenig. Eigentlich war er nicht keusch; er hatte reichlich oft herumgetändelt, bevor ihm Amalias Brief in die Finger geraten war. Aber Tändelei war nicht Liebe, und sie hatte mit der Ehe nichts zu tun. Und die Mädchen des Tals machten es Kimber erschreckend klar, dass sie immer dann, wenn sie » ja, berühre mich dort« oder » oh, wie weich deine Lippen doch sind« sagten, eigentlich » wir werden heiraten« meinten.
Vielleicht war er zu oft weg gewesen. Während seiner Ausbildung. Während all der Aufenthalte in London mit seinen Eltern, wo er den Glanz und die Falschheit der Menschenwelt kennen lernte. Die Mädchen der Stadt kicherten und lächelten hinter ihren Fächern und hielten seinen Arm, während sie vorgaben, über einen unsichtbaren Stein zu stolpern, auf dass er sie auffange.
Die Mädchen von Darkfrith verzichteten auf derlei. Quer über überfüllte Räume hinweg formten ihre Lippen stumme Einladungen an ihn. Sie begegneten ihm in den Wäldern. Sie baten ihn, sich zu verwandeln, damit sie, sich mit warmen, starken Schenkeln an seinen Körper klammernd, auf seinem Rücken hoch bis zum Mond fliegen könnten. Drachen-Mädchen, jede Einzelne von ihnen. Ihre Augen glühten und ihre Lippen leuchteten karmesinrot, und er hatte vor ihnen gekniet
und sie bewundert, aber es war ihm nicht gelungen, sich auch nur in eine von ihnen zu verlieben.
Er hatte es versucht. Er kannte seine Pflichten und versuchte es jahrelang. Bei jedem neuen Gesicht, jeder streichelnden Liebkosung fragte er sich selbst: Diese hier - ist sie es ?
Aber sein Herz verweigerte ihm jedes Mal eine Antwort. Kimber hatte sich dann immer davongestohlen, ein ums andere Mal.
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