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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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gebracht worden. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Gefühl das war, als Johannes so getan hat, als würde er mich nicht kennen. Aber noch schlimmer, noch viel schlimmer ist … Warum verhaltet ihr alle euch so seltsam, wenn es um meinen Jungen geht? Ihr tut gerade so, als ob es Lukas nicht geben würde. Warum, Elke?«
    Mit einem Ruck zog Elke ihre Hand zurück.
    »Du lügst doch. Sag mal, schämst du dich gar nicht? Sibylle wünscht sich schon seit Jahren so sehr ein Kind, und es klappt nicht. Und jetzt kommst du daher und … Wie konnte ich nur so dumm sein, mich von dir einwickeln zu lassen? Seelenwanderung! So ein Blödsinn.«
    Sibylle hätte vor Verzweiflung schreien können. »Elke! Das war doch nicht ernst gemeint. Du weißt doch, dass ich an so einen Quatsch nicht glaube. Es ist doch nur … Ach verdammt, ich weiß es doch auch nicht. Ich werde wirklich bald verrückt.« Die letzten beiden Sätze hatte sie doch geschrien, so laut, dass Elke erschrocken aufsprang. Sie stand da und rieb die Hände über die Oberschenkel, als wolle sie die Handflächen an der Jeans abwischen. Das tat sie immer, wenn sie sehr nervös war. »Ich möchte, dass Sie jetzt gehen.«
    Sibylle schüttelte den Kopf, während Elke in die Ecke der Küche zurückwich und den Telefonhörer in die Hand nahm, der dort lag.
    »Nein, bitte, Elke. Du musst mir glauben. Ich brauche doch deine Hilfe. Ich –«
    »Ich rufe die Polizei, wenn Sie jetzt nicht gehen.«
    Vorbei.
Sibylle wusste, dass sie nun keine Chance mehr hatte, Elke von irgendetwas zu überzeugen. Langsam schob sie den Stuhl zurück und stand auf. Elke drückte sich ein wenig fester gegen die Arbeitsplatte und hob demonstrativ die Hand mit dem Telefonhörer. Sibylle schwankte, sie spürte das plötzlich aufkommende, brennende Bedürfnis, auf ihre Freundin Elke zuzustürmen, ihr die Hände um den Hals zu legen und zuzudrücken, immer fester und unerbittlich, so lange, bis sie ihr sagte, wo ihr Sohn steckte.
Unerbittlich.

19
    Ihre Gedanken überschlugen sich und malten ihr die verrücktesten Bilder, während sie mit gesenktem Kopf ihre Füße dabei beobachtete, wie sie Stufe um Stufe der Steintreppe nahmen, mechanisch, als führten sie ein Eigenleben.
    »Hallo«, sagte eine männliche Stimme hinter ihr und erschreckte sie damit fast zu Tode. Sie hatte das Ende der Treppe erreicht und stand nun mit wummerndem Herzen in dem schummrigen Flur. Die Stimme kam ihr bekannt vor. »Bitte, haben Sie keine Angst. Ich bin es, Christian Rössler.«
    Sibylle wirbelte herum. Er stand einige Schritte hinter ihr, war aber nahe genug, dass sie ihn trotz des spärlichen Lichts erkennen konnte. Er trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit einem kurzärmeligen, grau-weiß gestreiften Hemd darüber, das offen stand und über der Hose hing.
    »Was … Was tun Sie hier? Woher wussten Sie, dass ich hier bin?« Sibylle bemerkte, dass ihre Stimme verängstigt klang, und ärgerte sich darüber.
    »Ich bin Ihnen nachgefahren, weil ich genau das befürchtet habe, was jetzt eingetroffen ist. Draußen wartet die Polizei auf Sie.«
    »Was? Die Polizei? Aber Elke hat doch gesagt, sie –«
    »Ich weiß nicht, bei wem Sie waren, und ich weiß auch nicht genau, wer die Polizei gerufen hat. Fest steht, die sind da draußen, und wenn Sie jetzt rausgehen, werden Sie verhaftet.«
    »Aber …« Sibylle war so verwirrt, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
    Rössler zeigte über seine Schulter nach hinten. »Ich hab mich ein bisschen umgesehen. Da geht es in den Hof. Über eine kleine Mauer können wir auf das angrenzende Grundstück klettern. Es sieht so aus, als ob man von da problemlos zu der Parallelstraße kommt. Ich hab meinen Wagen in der Nähe abgestellt, kommen Sie!«
    Sibylle schüttelte den Kopf. »Nein, ich … Oh mein Gott, ich kann nicht mehr denken. Da draußen wartet Rosie auf mich. Ich kann nicht einfach weglaufen, ohne ihr Bescheid zu sagen.«
    Rössler machte zwei große Schritte und packte sie fest, aber nicht schmerzhaft an den Oberarmen, ehe sie etwas dagegen unternehmen konnte.
    »Sie müssen hier weg, und zwar sofort. Beantworten Sie mir eine Frage: Haben Sie dieser Rosie von mir erzählt?«
    Sibylle wand sich in seinem Griff, aber sie tat es nur halbherzig, und schließlich gab sie es ganz auf.
    »Warum? Wieso interessiert Sie das jetzt?«
    Er sah ihr fest in die Augen. »Ich möchte Ihnen wirklich helfen, aber dazu muss ich wissen, ob Sie ihr von mir erzählt

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