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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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Qualitäten hervorgehoben, sodass Joe sich manchmal fragte, ob Alf nicht heimlich in ihn verliebt war. Alf stritt das stets heftig ab, vielleicht aber auch nur, weil er wusste, dass Marc, was dies betraf, für Männer nichts übrig hatte. Für Joe machte das keinen Unterschied. Ihr war es egal, ob Marc schwul war oder nicht.
    »Wissen Männer überhaupt, was sie wollen?« Alfs Gesicht zeigte eine Spur von Traurigkeit. Seit zwei Jahren hatte er keinen festen Freund mehr gehabt und schätzte One-Night-Stands ebenso wenig wie Joe.
    »Wissen wir denn immer, was wir wollen?« Joe fiel nicht auf, dass sie bei ihrer Gegenfrage Alf in die Weiblichkeit mit einbezog. Das war nicht weiter verwunderlich. Alf pflegte immer seine feminine Seite, obwohl er keineswegs eine Tunte war.
    »Ich dachte, du wüsstest es jetzt. Du hast Konstantin, und du hast dein Studium.«
    »Konstantin schon, doch mein Studium ist schwer gefährdet.« Joe seufzte. Damit waren sie bereits mitten im Thema.
    Es war ein windiger Abend, und die ersten Blätter, die sich rot und gelb färbten, kündigten den Herbst an, doch mit den vielen bunten Kissen und unzähligen Kerzen, die überall brannten, mutete es in der Wohnung warm und heimelig an. Einträchtig setzten sie sich auf das Patchwork-Sofa, das eigentlich kein Patchwork-Sofa war, doch Alf hatte eine bunte Flickendecke darübergelegt, da der Sofabezug seine besten Zeiten längst hinter sich hatte. Joe stellte die Schüssel mit dem Chili auf den Tisch im Wohnzimmer.
    Dann begann sie zu erzählen, und niemand unterbrach sie. Das Chili brannte so scharf, wie Joe ihre Worte wählte, als sie über ihren Vater und sein Ansinnen sprach, dass sie schon wieder ihr geplantes Studium wegen der Firma verschieben sollte. Nachdem sie geendet hatte, schwieg sie. Aufmerksam blickte sie in die Gesichter ihrer beiden Freunde.
    Wie immer, wenn Marc höchst konzentriert war, zwirbelte er eine dunkle Haarsträhne, und seine braunen Augen erschienen Joe noch dunkler als sonst. Alf hingegen saß so regungslos da, als hätte er sich erneut in eine silberne Statue verwandelt.
    »Dein Problem ist, du willst schon aus Prinzip nicht das, was er will«, sagte Marc nach einem Moment des Schweigens. Mit dem Wort er meinte er natürlich Joes Vater. »Der Job ist nicht dein Problem. Oder warum kriechst du sonst unter jedes Waschbecken und ziehst einen Auftrag nach dem anderen an Land? Vergiss mal deinen Vater. Was willst du?«
    Egal, wie sehr sich Joe auch bemühte, die Antwort auf seine Frage lag für sie wie hinter verschmutztem Fensterglas, durch das sie nicht blicken konnte. Es war ihr unmöglich, den Fokus klar auf ihre eigenen Bedürfnisse zu richten. Deshalb wich sie aus, sprach erneut vom Job, der sie – zugegebenermaßen – reizte, aber auch davon, dass ihr Vater sie ständig bevormundete, sich nicht für sie interessierte und ihr nie Anerkennung für ihr Engagement zollte.
    »Trink einfach noch ein Bier.« Marc begriff, dass weiteres Insistieren keinen Sinn machte. So reichte er ihr eine neue Flasche, die Joe dankbar entgegennahm.
    »Darf ich dich etwas fragen?« Diese Art der Höflichkeit war typisch für Alf. Er schien aus seinem tranceähnlichen Zustand erwacht zu sein.
    Joe nickte. Alf durfte sie alles fragen, und das wusste er auch.
    »Stell dir vor, du studierst. Du warst ewig auf keiner Baustelle mehr. Du gehst also jeden Morgen in die Uni, mittags in die Mensa, und abends sitzt du hier vor deinen Büchern und deinem Computer und lernst. Und plötzlich bietet dir eine fremde Firma die Bauleitung für diesen großen Auftrag an.« So viel und so lange sprach Alf selten an einem Stück. Er blickte Joe direkt in die Augen: »Hast du eine Idee, wie du dich in diesem Moment fühlen würdest?«
    Joes Augen begannen zu leuchten. »Das wäre der Hit!«
    Alf und Marc lächelten einander zu. Joes Antwort hatte sie nicht überrascht.
    Am späten Vormittag fuhr Joe bei Konstantin vorbei. Bislang hatte sie weder etwas von ihm gehört noch ihn telefonisch erreicht. Sowohl daheim als auch auf dem Handy schaltete sich nur die Mailbox ein. Die noch heruntergelassenen Rollläden seines Hauses zeugten von gutem Schlaf, denn es war bereits kurz vor zwölf. Mit laufendem Motor sinnierte Joe, ob sie klingeln oder es besser lassen sollte. Einerseits hatten sie sich mehr oder weniger fest für ein gemeinsames spätes Frühstück verabredet, andererseits schlief Konstantin am Samstagmorgen gern und lange aus. Joe gab wieder Gas, denn sie

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