Der transparente Mann (German Edition)
Garageneinfahrt seinen Sportwagen. Er hatte ihn mitten auf dem Gelände abgestellt, wie üblich war er auf Hochglanz poliert, und da trotz der kalten Jahreszeit die Sonne schien, war das Verdeck geöffnet. Joe machte sich so klein, wie es nur ging. Zusammengekauert drückte sie sich im Schatten des Mauervorsprungs an die Wand und hielt den Atem an. Ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, jeder, auch Konstantin könne es hören. Geh weiter, geh weiter, geh weiter!, trieb sie ihn in Gedanken an. Sie sah, dass er sein Haar etwas kürzer trug, dass sein Gesicht schmäler, aber glatt rasiert war, dass er die beigefarbene Cordhose von Ralph Lauren trug, die sich so verdammt gut angefühlt hatte, und ein kariertes Hemd, das sie leider nicht kannte. Es stand ihm sehr gut. Und sie sah, dass er wütend war. Erleichtert atmete sie tief durch, als Konstantin an ihr vorbei die hinteren Treppen nach oben stapfte, ohne sie zu entdecken. In diesem Moment fiel Joe jedoch schlagartig ein, dass dort gerade frischer Estrich verlegt worden war, und dann hörte sie schon Konstantins sonore Stimme, die fluchte: »Scheiße! Verdammt noch mal! So 'ne Scheiße!«
Joe musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen. Sie wusste, dass er nun mit beiden Füßen knöcheltief in einer zähen, kalten, sich verdichtenden Masse stand, und das mit seinen geliebten Pferdelederschuhen, die er voller Stolz von seinen jeweiligen Trips aus New York oder Miami mitbrachte, wo er sie in diversen Outlet Stores erstand. Er bezahlte dafür jedes Mal sage und schreibe vierhundert Dollar. Joe wusste, wie viel ihm diese Schuhe bedeuteten, denn als sie einmal sein neuestes Paar in allerbester Absicht mit einem billigen Imprägnierspray vom Drogeriemarkt eingesprüht hatte, hatte Konstantin kurz vor einem Herzinfarkt gestanden. Zumindest hatte es so ausgesehen, denn sein Gesicht war damals knallrot angelaufen. Er hatte ihr vorgeworfen, seine Schuhe ruiniert zu haben. Jetzt hatte er sie selbst ruiniert, und zwar ein für alle Mal. Joe hielt beide Hände fest an ihren Mund gepresst, um ihr Lachen zu ersticken, aber ihr war auch klar, dass sie sich schnellstens verstecken musste, wenn ihr ihr Leben lieb war.
Aus der Tiefgarage blickte sie suchend nach draußen. Ihr Blick fiel auf das blaue Dixi-Klo, dieses stinkende Kabuff, vor dem sie sich so schrecklich ekelte, doch ihr wurde klar, dass dies im Augenblick der sicherste Ort auf der Welt war. Nie im Leben würde Konstantin sie darin vermuten. Und so einen Ort würde er freiwillig auch nie betreten. Schnell huschte sie nach draußen und lief über das Baustellengelände auf das Klo zu. Dabei rempelte sie Hoffmann an, der gerade von jenem wenig einladenden Örtchen zurückkam. Noch im Gehen zog er den Reißverschluss an seinem Hosenschlitz hoch und rückte mit einem Griff alles zurecht, was zurechtgerückt werden musste. »Na, pressiert es?«, meinte er so taktvoll, wie er eben war.
Ohne ihm zu antworten, stürzte Joe mit Todesverachtung in das königsblaue Dixi-Klo, hielt die Luft an und verriegelte von innen die Tür. In diesen Momenten sehnte sie sich nach einem anderen Leben, weit weg vom Bau. Der strenge Geruch von Männerurin und anderen Exkrementen ätzte ihr fast die Nasenschleimhäute weg. Sie presste ihren Arm vor die Nase und atmete heiß in den Stoff. Immer noch würgte es sie tief im Hals, sie kämpfte verzweifelt gegen das Gefühl an, sich übergeben zu müssen, und sie begann zu beten, dass Konstantin schnellstens verschwinden möge, um sich um seine Pferdelederschuhe oder was auch immer zu kümmern.
Auf einmal vernahm sie einen Schlag. Es hörte sich an, als wäre ein Stein auf das Blechdach des Klos gefallen. Dann gab es einen zweiten Steinschlag und danach ein schrilles Quietschen, das von aufeinander reibendem Metall herrühren musste und das Joe die Haare zu Berge stehen ließ. Noch bevor sie genauer identifizieren konnte, was da draußen los war, warf ein starker Ruck sie fast um. Um nicht den Halt zu verlieren, klammerte sie sich an der verdreckten Kloschüssel fest. Gerade als sie sich, an den gegenüberliegenden Wänden abstützend, wieder aufrichten wollte, gab es erneut einen Ruck. Nur raus hier!, war der einzige Gedanke, zu dem Joe fähig war, aber die Tür ließ sich bis auf einen winzigen Spalt nicht mehr öffnen. Irgendetwas hielt dagegen.
Joe geriet in Panik. Der Boden unter ihr war plötzlich schief, das ganze Klo befand sich in Seitenlage. Und genau wie ein Katamaran bei
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