Der transparente Mann (German Edition)
den Männern zuwarf.
Jetzt sagte sie etwas, die Stimmen wurden lauter. Joe spitzte die Ohren, war versucht, näher heranzugehen, denn dummerweise verstand sie kein einziges Wort. Offensichtlich brauchte es aber nur wenige Bemerkungen ihrer Männer, um die sonst so unerschrockene Journalistin in die Flucht zu schlagen. Voller Genugtuung beobachtete Joe, wie sie zu ihrem Auto zurückeilte, hastig einstieg und Gas gab. Als Monikas Wagen verschwunden war, war Joe sich sicher, diese Frau für immer los zu sein. Nur eines fragte sie sich noch: Schlief Monika noch immer mit Konstantin?
»Die hat kapiert, dass der Bau ein gefährliches Pflaster sein kann«, erklärte Hoffmann mit breitem Grinsen, als er etwas später neben Joe WC-Schüsseln, Waschbecken, Armaturen, Siphons, Handtuchhalter, WC-Rollenhalter und Badetuchstangen vom LKW ablud, um sie diebstahlsicher zu lagern, bevor sie diese nach und nach in den vielen Bädern einbauen konnten. »Da kann immer was passieren. Steine können plötzlich von Gerüsten fallen, nicht wahr?«
»Danke.« Joe lächelte.
»War uns ein Vergnügen.«
Kurz darauf schleppte Joe schwere Porzellantoiletten und –Waschtische eigenhändig ins Gebäude. Vielleicht kann die Arbeit sogar noch vor dem festgelegten Fertigstellungstermin beendet werden, überlegte sie dabei voller Eifer. Ihr Vater würde doch noch stolz auf sie sein, zumindest ein wenig versöhnt.
Als Joe dann wieder zurück zum LKW ging, um die nächste Wanne zu holen, spürte sie wieder dieses nervöse Ziehen in ihrem Bauch. Marc hievte gerade einen Waschtisch vom LKW. Die niedrigen Temperaturen schienen ihm nichts auszumachen, denn er hatte seine Jacke inzwischen ausgezogen. Jetzt spannten sich seine Muskeln unter dem weißen Shirt, Joe stand da und konnte den Blick nicht von seinem Körper wenden. Plötzlich kam ihr in den Sinn, dass sich sein Po in diesem Moment sicher so fest anfühlen würde wie in jener Nacht, als sie ihn mit beiden Händen lustvoll umfasst hatte. Sie schalt sich für ihre Gedanken.
»Dein Buch scheint ja sehr interessant zu sein. Leihst du es mir mal?«, fragte sie betont nebensächlich, als sie nun neben ihm stand. Dabei nahm sie seinen männlichen Geruch so intensiv war, dass ihr fast schwindlig wurde.
»Es gehört mir nicht«, antwortete Marc knapp, und Joe dachte blitzartig an irgendeine andere Frau, die ihm das Buch womöglich geliehen hatte. Es versetzte ihr einen Stich, und sie entschloss sich, nichts mehr dazu zu sagen.
Das waren die einzigen Worte, die sie an diesem Tag noch mit ihm wechseln konnte.
Es war längst dunkel, als Joe vor ihrem Wohnhaus parkte. Sie war erleichtert, das warme Licht in ihrer Wohnung brennen zu sehen. Wie schön wäre es, nicht mehr als Single durchs Leben zu gehen, sondern es mit einem Mann zu teilen, in dessen Armen sie nachts einschlafen konnte. Sie wollte seinen Atem an ihrem Hals spüren, von seinen Beinen umschlungen werden, sie wollte morgens mit ihm aufstehen und sogar den Mut haben, in seiner Gegenwart unter der Dusche zu singen, obwohl sie wusste, dass sich ihre Stimme wie ein schrecklich verstimmtes Instrument anhörte. Was war denn bloß so falsch an ihr, dass ihre Beziehungen früher oder später immer in einem Albtraum endeten?
Joe schob diese Grübeleien beiseite, als sie das Haus betrat. In Windeseile huschte sie die vielen knarrenden Stufen zu ihrer Wohnung hinauf, denn sie wollte auf keinen Fall Hausmeister Wimmer und seiner Frau über den Weg laufen. Joe hatte Angst vor dem Zusammentreffen und vorerst genug von Dramen. Jetzt gelüstete es sie nur nach einem Bier.
Sie hoffte, dass Alf beim Abendessen auch an sie gedacht hatte. Müde von der harten körperlichen Arbeit des Tages schloss sie die Wohnungstür auf, zog die vom Baumatsch schmutzigen Stiefel aus und ging auf Socken ins Wohnzimmer.
Liebevoll war der niedrige Tisch vor dem Sofa für drei Personen gedeckt, und der kreativ gebundene Strauß aus blauen Blumen sprach von Thomas' Anwesenheit. Sie roch den Zimtgeruch der Räucherstäbchen, vernahm die lachenden Stimmen der beiden aus der Küche und schalt sich für den egoistischen Wunsch, den Abend lieber allein mit Alf verbringen zu können. Joe fehlten ihre intensiven Gespräche unter vier Augen, denn sie scheute sich, ganz offen zu reden, wenn Thomas zugegen war. Mittlerweile gehörte Alfs Freund fast so selbstverständlich zu ihrer Wohngemeinschaft, als lebte er ebenfalls hier. Erst vor ein paar Tagen hatte sie Alf vorsichtig gefragt,
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