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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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ihren Ohren. Joe schluckte alle Fragen herunter, denn sie wollte Huber die Peinlichkeit eines solchen Gesprächs ersparen.
    »Mama hat mit mir gesprochen«, teilte sie ihm deshalb nur kurz und sachlich mit.
    »Guten Morgen!« Eine heitere Stimme unterbrach sie, bevor Huber antworten konnte. Allein ihr Klang verursachte Joe ein brennendes Kribbeln in der Magengegend. Marcs Erscheinen hatte Joe so erschreckt, dass ihr prompt die Knie zitterten, denn da war sie wieder, die Erinnerung an jene gemeinsame Nacht, zu der es nie hätte kommen dürfen. Marc ahnte offenbar nicht, was in ihr vorging. Er hatte eine Schachtel in der Hand, in der sich die Ablaufgarnitur der Wanne befand, und seine dunklen Augen strahlten sie an.
    »Hallo.« Mehr brachte Joe nicht heraus. Sie beugte sich über die Wanne und tat so, als inspizierte sie sie. Dabei ärgerte sie sich über ihre mangelnde Souveränität, während Marc Huber die Ablaufgarnitur in die Hand drückte. Joe spürte seinen fragenden Blick im Rücken. Dann schien er sich die Antwort selbst gegeben zu haben. Mit großen Schritten verließ er das Badezimmer und eilte den Gang entlang. Joe schaute ihm hilflos nach, bis er um die Ecke verschwunden war. Sie beschloss, ihn suchen zu gehen, denn sie musste dringend mit ihm reden.
    Auf einmal war alles so kompliziert! Warum hatte sie nur mit ihm geschlafen? Spätestens seit Harry und Sally war doch hinlänglich bekannt, dass Sex das Ende einer jeden Freundschaft bedeutete. Dabei waren Marc und sie nicht nur Freunde. Sie arbeiteten miteinander, und Joe war zudem seine Chefin. Während sie durch das Gebäude lief, blieb sie an einem der großen Fenster stehen und starrte auf das trostlose Grau, in dem sich der Himmel an diesem Tag präsentierte. Marc musste doch verstehen, dass aus ihnen kein Liebespaar werden konnte! Aber da war auch die Erinnerung an die große Zärtlichkeit, mit der er ihr übers Haar gestreichelt hatte, an die Art, wie er ihren Körper berührt hatte, und an seine Arme, in denen sie so glücklich eingeschlafen war. Ach, hätten sie doch nur niemals miteinander geschlafen!
    »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich ohne ein Wort gegangen bin. Aber ich dachte, es sei so besser« sagte Joe und bemühte sich um einen ruhigen Ton, als sie Marc endlich im Materiallager im Keller gefunden hatte. Durch die kleinen Fenster gelangte nur wenig Licht in den Raum, aber es kam ihr so vor, als nähme sie einen schmerzhaften Zug in seinem Gesicht wahr, den sie vorher noch nie gesehen hatte.
    »Normalerweise ist das wohl eher der Part des Mannes«, gab Marc etwas spöttisch zurück und blieb ihr so eine klare Antwort schuldig.
    »Marc, ich möchte jetzt keine Beziehung. Ich muss erst die Sache mit Konstantin verdauen. Eigentlich hätte so etwas nie passieren dürfen.« Joe hoffte, er würde darauf etwas sagen, aber er schien vom Materiallager völlig fasziniert zu sein und kramte unaufhörlich weiter in Kisten und Regalen, zog längliche Schachteln aus Regalen, um sie dann auf dem Werkzeugtisch zu stapeln. Das machte Joe nur noch nervöser. Und immer, wenn sie nervös war, redete sie zu lange und zu viel.
    »Ich hätte doch auch nie gedacht, dass wir beide einmal im Bett landen«, fuhr sie hektisch fort. »Niemals. Ich meine, wir, du und ich, wir kennen uns doch viel zu gut, das ist ja schon fast inzestuös. Marc, was ich damit sagen will … und versteh mich bitte nicht falsch: Lass uns das, was gestern Nacht passiert ist, einfach vergessen. Es war ein Fehler.«
    Zum ersten Mal sah Marc auf, blickte Joe offen ins Gesicht und musterte sie. Das diffuse Licht warf Schatten auf sein Gesicht, sodass seine Augen jetzt tiefdunkel glänzten. »Jetzt glaube ich allerdings auch, dass es ein Fehler war«, antwortete er schlicht. Dann klemmte er sich die Schachteln unter den Arm und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
    Joe hatte das Gefühl, an diesem Tag die Hilflosigkeit für sich gepachtet zu haben. Als er an ihr vorbeigehen wollte, stellte sie sich ihm in den Weg. Sie konnte es einfach nicht ertragen, dass für ihn das Thema damit beendet zu sein schien. »Das hat aber mit unserer Freundschaft nichts zu tun. Und mit der Arbeit auch nicht«, sagte sie hastig und hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten. Marc stand so nahe vor ihr, dass sie seinen Atem und die Wärme seines Körpers spüren konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie versucht, ihn zu berühren. Nur ein bisschen, wenigstens seinen Arm, der sie gestern noch

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