Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Flugzeug.Dann kann ich auch gleich meine Morgentoilette dort erledigen. Du kannst hinter die Felsen gehen. So früh am Morgen sollten noch keine Schlangen herumkriechen, halt aber trotzdem die Augen offen.“
Sunny nahm die Feuchttücher und zog sich hinter den Felsen zurück. Als sie wieder hervorkam, wusch sie sich Hände und Gesicht, putzte die Zähne und kämmte sich. Jetzt fühlte sie sich wieder wie ein Mensch und war bereit, sich dem neuen Tag und der Welt zu stellen. Zuvor allerdings nahm sie sich die Zeit und ließ den Blick über den kleinen Canyon schweifen, der ihnen das Leben gerettet hatte.
Es war wirklich nicht viel mehr als ein Riss im Erdboden, kaum breiter als fünfzig Meter. Eine Viertelmeile weiter hinten wurde er zwar breiter, aber auch sehr viel unebener. Dieses Flussbett war der einzige Streifen, wo sie sicher hatten landen können. Sunny konnte nicht sagen, wie lang der Canyon war, denn weiter hinten lag eine Biegung. Dort erkannte sie Steine verschiedenster Größe, vereinzelt wuchsen trockene Büsche, und Wurzeln ragten aus den Steilwänden und schlängelten sich dem ersehnten Regenwasser entgegen.
Sämtliche Rottöne waren vertreten, von dunkelstem Purpur bis zu blassestem Rosa. Kein Grün, die Büsche waren ausgebleicht von der Sonne, manche schimmerten silbern, ein auffälliger Kontrast zu den intensiven Farben der Erde.
Chance und Sunny schienen die einzigen beiden Lebewesen hier zu sein. Weder Vogelgezwitscher noch das Summen von Insekten war zu hören. Natürlich musste es hier auch eine Fauna geben, Schlangen und Eidechsen bestimmt und ebenso deren Beutetiere, das wusste Sunny, aber die im Moment herrschende Stille überwältigte sie nahezu.
Sunny sah zum Flugzeug hinüber. Chance arbeitete bereits daran. Sie steckte die kalten Finger in die Taschen der Strickjacke und ging zu ihm.
„Willst du nicht erst etwas essen?“
„Ich warte lieber, bis ich herausgefunden habe, wo das Problem liegt.“ Er grinste sie schief an. „Nicht beleidigt sein, aber ich esse nur noch einen von diesen Nahrungsriegeln, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt.“
„Wenn du uns also hier herausfliegen kannst, wartest du lieber bis zum nächsten Flughafenrestaurant, was?“
„Du hast es erkannt.“
Sie erwiderte sein Grinsen und schaute ihm über die Schulter, um zu sehen, was er da tat. „Ich habe auch keinen gegessen“, gestand sie.
Mit der typisch entschlossenen Miene, die Männer zur Schau trugen, wenn sie sich an mechanischen Dingen versuchen, überprüfte Chance die Treibstoffleitungen. Sunny fühlte sich untätig. Bei einem Auto hätte sie helfen können, mit Flugzeugen jedoch kannte sie sich nicht aus. „Kann ich irgendetwas tun?“, fragte sie.
„Nein. Ich ziehe nur die Leitungen ab und suche nach möglichen Verstopfungen.“
Sie sah noch eine Weile zu, aber das schien eine langwierige Aufgabe zu sein, und ihr wurde ein wenig langweilig. „Ich denke, ich gehe auf Erkundungstour“, meinte sie schließlich.
„Bleib in Rufweite“, sagte er nur abwesend.
Auch wenn der Morgen noch kühl war, durch die höhersteigende Sonne wurde es mit jeder Minute wärmer. Sunny setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, achtete genau darauf, wohin sie trat. Ein verstauchter Knöchel konnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, sollte sie plötzlich losspurten müssen. Eines Tages vielleicht würde eine Verstauchung nur eine Unannehmlichkeit sein. Eines Tages wäre sie vielleicht endlich frei.
Sie sah zum strahlend blauen Himmel auf und atmete tief die klare Luft ein. Hart hatte sie daran gearbeitet, nicht denMut und die Lebensfreude zu verlieren, ihr Humor war ihr dabei ein unerlässlicher Helfer. Margreta konnte nicht so gut mit der Situation umgehen, aber sie hatte ja zusätzlich noch die Herzschwäche, mit der sie fertig werden musste. Zwar konnte die Krankheit mit Medikamenten unter Kontrolle gehalten werden, trotzdem mussten gewisse Vorkehrungen getroffen werden. Margreta würde nie wie Sunny einfach von jetzt auf gleich von der Bildfläche verschwinden können. Sie brauchte ihren Arzt, der regelmäßig Rezepte ausstellte. Müsste sie den Arzt wechseln, würde das neue Untersuchungen zur Folge haben und damit erhebliche Kosten.
Deshalb sah Sunny ihre Schwester auch nie. So war es sicherer, für den Fall, dass jemand nach Schwestern suchte. Sie kannte nicht einmal Margretas Telefonnummer. Einmal in der Woche rief Margreta Sunny an, zu einer fest verabredeten Zeit,
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