Der Traum der Hebamme / Roman
Verschwiegenheit in dieser Angelegenheit gegenüber Albrecht von Wettin.«
Der Schreck fuhr Heinrich mächtig ins Gedärm. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Jetzt steckte er wirklich in der Klemme. Der Kaiser war weit weg, was scherte den ein einfacher Vogt in der Mark Meißen? Doch hatte er den längeren Arm. Und den erhabeneren Titel natürlich.
Der Besucher nickte zufrieden, stellte den Becher ab, drehte sich um und ging schon wieder hinaus. Er hatte sich während seines Aufenthaltes noch nicht einmal gesetzt.
Erst langsam erwachte Heinrich aus der Starre, allerdings weniger weil er seine Fassung wiedergewann, sondern wegen einer unliebsamen Reaktion seines Körpers. Der kaiserliche Gesandte konnte noch nicht einmal wieder den Burghof betreten haben, als sich im Palas etwas Außergewöhnliches ereignete: Vogt Heinrich, der Mann, dessen Wutausbrüche in der ganzen Stadt und auf der Burg gefürchtet waren, vor dem jedermann hier zitterte, abgesehen von seiner Frau, stürzte auf die Heimlichkeit und schiss sich die Angst aus den Därmen. Und dabei überlegte er, wie er wohl die Forderung des kaiserlichen Boten vor seiner ebenso neugierigen wie schwatzhaften Gemahlin Ida geheim halten sollte.
Ungeduldig betrachtete Albrecht am Morgen nach der Abreise von Freiberg, wie sich seine Truppen für den erneuten Aufbruch vorbereiteten. Am nächsten Tag würden sie Weißenfels erreichen. Ein Knappe hatte seinen Schimmel bereits gesattelt und wartete ängstlich einige Schritte von ihm entfernt, ohne sich näher heranzuwagen.
Albrecht ignorierte ihn. Ihm war nicht entgangen, dass gerade zwei schnelle Reiter im Lager eintrafen und seinen Marschall aufsuchten – zweifellos die Späher, die vorausgeschickt worden waren, um die Lage in Weißenfels zu erkunden. Er wollte hören, was sie zu berichten hatten, bevor er in den Sattel stieg. Nicht, dass er Zweifel am Gelingen seines Vorhabens hegte – dazu war ihre Übermacht einfach zu groß; dem hatte sein Bruder nichts entgegenzusetzen. Aber vielleicht ließen sich aus dieser oder jener Neuigkeit noch Vorteile ziehen, die seinen Sieg vollkommen machen würden. Und was es auch für Nachrichten sein mochten, sie waren mit Sicherheit nicht für jedermanns Ohren bestimmt.
Also blieb er mit gespielter Gleichgültigkeit stehen und ließ sich sogar noch einmal den Becher von seinem Schenken füllen, einem fetten Ritter namens Giselbert.
Richtig, nach einem kurzen Wortwechsel der Reiter mit dem Marschall kam dieser mit eiligen Schritten auf ihn zu; die beiden Späher folgten ihm in gebührendem Abstand.
Gerald, der Marschall, Ende dreißig, blond und noch nicht wieder vermählt, seit seine Frau vor einem Jahr unter rätselhaften Umständen gestorben war, und ganz nebenbei der ungeliebte Schwager von Lukas, sank vor ihm auf ein Knie. Er gab sich keine Mühe, den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht zu verbergen.
»Mein Fürst, wie es aussieht, werden wir bereits erwartet«, sagte er mit verhaltener Stimme und blickte dabei misstrauisch nach links und nach rechts, als würde dort der Verräter stehen, der Dietrich gewarnt hatte. Vielleicht verhielt es sich sogar so. »Der Weg zur Burg hinauf ist schmal und doppelt gesichert, die Straße, die dorthin führt, wird mit Verhack versperrt, sagen meine Kundschafter.«
Diese Nachricht kam für Albrecht nicht unerwartet. Er wusste, dass es in Meißen und vor allem in Freiberg von Leuten nur so wimmelte, die insgeheim bereit waren, sich auf die Seite Dietrichs zu schlagen und diesen zu warnen. Der Aufbruch seiner Streitmacht konnte nicht unbemerkt geblieben sein. Doch das kümmerte ihn heute nicht. Den Sieg würde ihm trotzdem niemand streitig machen können.
»Nun schaut nicht so missmutig drein!«, meinte er deshalb ungewohnt großzügig zu seinem Marschall. »Ich hatte ohnehin nicht vor, mich mit all meinen Männern den Pfad zur Burg hinaufzuschlängeln.«
Er beugte sich ein wenig vor, und seine Augen leuchteten voller Triumph. »Wir reiten einen Großangriff in breiter Linie und vernichten alles und jeden, der sich uns in den Weg stellt!«
»Ein Angriff in breiter Linie – das ist bei diesem Gelände nur an der Furt möglich«, gab der Marschall zu bedenken, der sofort begriff, was sein Dienstherr plante.
»Genau dort!«, stimmte Albrecht zu. »Mindestens drei Dutzend gepanzerte Reiter nebeneinander, die anderen dicht dahinter … So preschen wir durch den Fluss und brennen alle Häuser nieder, sobald
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