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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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jetzt handeln, ein für allemal, bevor es zu spät ist und wir zu Automaten geworden sind.«
    Roger nützte die Zeit bis zum Eintreffen der Kommission. Er nahm einige Befragungen vor, vor allem aber sichtete er die Lagerlisten und Handelsbücher des Hauses Arana. Er wollte herausfinden, zu welchen Preisen die Indios, Aufseher und Jungs von der Gesellschaft auf Kredit Lebensmittel, Medizin, Kleidung, Waffen und Gerätschaften kauften. Aus den Unterlagen ging deutlich hervor, dass die Magazine der Gesellschaft alle Warenpreise ständig anhoben. Roger kaufte zwei Hemden, eine Hose, einen Hut und ein Paar Feldstiefel und bezahlte dafür dreimal so viel, wie er in London bezahlt hätte. Nicht nur die Eingeborenen wurden übervorteilt, sondern auch die armen Faulenzer und Totschläger, die in Putumayo ihren Chefs zu Befehl standen. Es war nicht verwunderlich, dass die einen wie die anderen so lange als Schuldner von der Peruvian Amazon Company abhängig waren, bis das Unternehmen sie nicht weiter gebrauchen konnte.
    Es erwies sich dagegen als schwieriger, die Anzahl der Eingeborenen in Putumayo um 1893 zu schätzen, als die ersten Kautschukstationen in der Region eingerichtet wurden und die Treibjagden begannen, und zu überschlagen, wie viele nun, im Jahr 1910, noch übrig waren. Statistiken, die man hätte heranziehen können, existierten nicht, alle Dokumente, die Roger zu dieser Frage einsehen konnte, waren vage, die Zahlen schwankten beträchtlich. Die zuverlässigsten Berechnungen schien der unglückselige französische Ethnologe und Forscher Eugène Robuchon angestellt zu haben, der 1905 auf mysteriöse Weise in Putumayo verschollen ging, während er das Gebiet von Julio C. Aranas Unternehmen kartographierte. Seinen Berechnungen zufolge hatten die sieben Ethnien der Region – Huitotos, Ocaimas, Muinanes, Nonuyas, Andokes, Rezígaros und Boras – insgesamt etwa einhunderttausend Mitglieder gezählt, bevor der Kautschuk die »Zivilisierten« nach Putumayo lockte. Juan Tizón sollte diese Zahl später als stark übertrieben bezeichnen. Er berief sich auf andere Quellen und vertrat die Meinung, dass vierzigtausend der Wahrheit wesentlich näher kämen. Inzwischen gab es jedenfalls nur noch etwa zehntausend Indios. Das Zwangssystem der Kautschukunternehmen hatte also bereits drei Viertel der Eingeborenenbevölkerung ausgelöscht. Viele waren zweifellos an Pocken, Malaria, dem Beriberi und anderen Krankheiten gestorben. Doch die überwiegende Mehrheit war Opfer von Ausbeutung, Hunger, Verstümmelungen, von Fußblöcken und Ermordungen geworden. Es schien unvermeidlich, dass es allen Stämmen wie den Iquarasi ergehen würde, die mittlerweile gänzlich ausgerottet waren.
    Zwei Tage später kamen die anderen Kommissionsmitglieder in Entre Ríos an. Zu seiner Überraschung erblickte Roger unter ihnen Armando Normand, gefolgt von seinem Harem junger Mädchen. Folk und Barnes teilten Roger mit, der Vorsteher von Matanzas habe sie unter dem Vorwand begleitet, das Verladen des Kautschuks in Puerto Peruano persönlich überwachen zu müssen, tatsächlich dürften ihn dazu jedocheher die Befürchtungen bewegt haben, die er hinsichtlich seiner Zukunft hege. Kaum habe er von den Anschuldigungen der Barbadier gehört, habe er eine regelrechte Kampagne aus Bestechungen und Drohungen in Gang gesetzt, damit sie ihre Aussagen widerriefen. Diese Kampagne sei insofern erfolgreich gewesen, als einige Barbadier, so etwa Levine, der Kommission einen Brief hatten zukommen lassen – zweifellos von Normand selbst verfasst –, in dem sie alles zurücknahmen, was man ihnen »betrügerisch« entlockt habe, und angaben, schwarz auf weiß festhalten zu wollen, dass in der Peruvian Amazon Company niemals Eingeborene misshandelt worden seien und dass Angestellte und Lastenträger harmonisch und zum Wohle Perus zusammenarbeiteten. Folk und Barnes waren der Ansicht, dass Normand fraglos versuchen würde, Bishop, Sealy und Lane, vielleicht sogar Roger Casement selbst zu bestechen oder sonst wie einzuschüchtern.
    Und in der Tat klopfte Armando Normand sehr früh am nächsten Morgen an Rogers Tür und schlug ihm ein »offenes, freundschaftliches Gespräch« vor. Von der arroganten Selbstsicherheit, die er bei ihrem letzten Zusammentreffen an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr zu spüren. Normand wirkte nervös, rieb sich unentwegt die Hände und biss sich auf die Unterlippe. Sie gingen ins Kautschuklager, das sich auf einer Brache aus Gestrüpp und

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