Der Traum des Kelten
Brown, Allan Davis, James Mapp, J. Dyall und Philip Bertie Lawrence mit ihnen.
Um die Barbadier auf das Schiff zu bringen, waren komplizierte Verhandlungen zwischen Juan Tizón, Víctor Macedo, der Kommission und den Barbadiern selbst vonnöten gewesen, mussten immer neue Zugeständnisse gemacht werden. Alle Barbadier hatten schon vor ihrer Befragung verbindliche Zusicherungen und sicheres Geleit verlangt, denn sie wussten sehr wohl, dass die von ihnen belasteten Vorgesetzten versuchen würden, sie unter Druck zu setzen. Roger hatte ihnen versprochen, er persönlich werde sie heil aus Putumayo fortbringen.
Doch in den Tagen vor dem Eintreffen der Liberal verlegte sich das Unternehmen plötzlich auf eine Strategie des Wohlwollens, um die barbadischen Aufseher umzustimmen. Man versicherte ihnen, sie hätten keinerlei Konsequenzen zu befürchten, und versprach ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen, sollten sie zu bleiben gedenken. Víctor Macedo kündigte an, unabhängig von ihrer Entscheidung habe die Peruvian Amazon Company beschlossen, ihnen fünfundzwanzig Prozent der Schulden zu erlassen, die sie gegenüber dem Magazin hätten. Dieses Angebot nahmen alle Barbadier zunächst an. Roger war klar, worauf das Ganze hinauslaufen würde: Kaum wäre er weg, würden die Barbadier bestochen werden oder sich Nötigungen ausgesetzt sehen, sie würden ihre Aussagen zurückziehen und behaupten, er, Roger, habe alles nur erfunden oder sie mit Drohungen zu Falschaussagen bewegt. Er beriet sich mit Juan Tizón, der ihn daran erinnerte, dass die Zustände ihn zwar ebenso betrübten und er entschlossen sei, sie zu verbessern, er ja aber noch immer dem Vorstand der Peruvian Amazon Company angehöre und nicht auf die Barbadier einwirken könne noch sollte, um sie zum Gehen zu bewegen, wenn sie zu bleiben wünschten. Eines derKommissionsmitglieder, Henry Fielgald, pflichtete Tizón bei: Auch er arbeite in London für Julio C. Arana, und er fordere durchaus tiefgreifende Reformen der Arbeitsbedingunen im Amazonasgebiet, könne jedoch das Unternehmen, bei dem er angestellt sei, nicht in den Ruin treiben. Für Roger ging eine Welt unter.
Als dann aber am Abend des 12. November die Liberal in La Chorrera eintraf, nahmen die Dinge plötzlich und unverhofft eine ganz neue Wendung. Das Schiff brachte Post und Zeitungen aus Iquitos und Lima mit. Und in der zwei Monate alten Ausgabe der Tageszeitung El Comercio stand ein langer Artikel darüber, dass die Regierung von Präsident August B. Leguía wegen der Proteste Großbritanniens und der Vereinigten Staaten gegen angebliche Übergriffe in den Kautschukstationen von Putumayo angekündigt habe, einen angesehenen Richter namens Carlos A. Valcárcel mit Sondervollmachten ins Amazonasgebiet zu entsenden. Seine Mission sei es, die Angelegenheit zu untersuchen und unverzüglich die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten und, falls nötig, mithilfe von Polizei und Militär dafür zu sorgen, dass die Urheber der Verbrechen sich der Justiz nicht entzögen.
Unter den Angestellten des Hauses Arana schlug diese Nachricht ein wie eine Bombe. Juan Tizón teilte Roger mit, Víctor Macedo habe höchst alarmiert die Vorsteher aller, noch der entferntesten Stationen, zu einer Versammlung in La Chorrera einberufen. Tizón schien zwiegespalten. Einerseits freute er sich als Mensch mit großem Gerechtigkeitssinn und als Patriot, dass die peruanische Regierung endlich zur Tat geschritten war. Andererseits war er sich durchaus bewusst, dass dieser Skandal das Ende der Peruvian Amazon Company und damit seinen eigenen Untergang herbeiführen könnte. Als sie eines Abends bei lauwarmem Whisky zusammensaßen, gestand Tizón Roger, dass er fast sein gesamtes Vermögen in Aktien der Gesellschaft angelegt hatte.
Die Gerüchte und Befürchtungen, die auf die Nachricht aus Lima hin zu kursieren begannen, stimmten die Barbadierschließlich wieder um. Sie zogen es jetzt doch vor, mitzufahren, aus Angst, ihre peruanischen Vorgesetzten könnten sich ihrer Verantwortung an den Folterungen und Morden entziehen, indem sie ihnen, den »fremden Negern«, die Schuld in die Schuhe schieben würden. Sie wollten Peru so schnell wie möglich verlassen und nach Barbados zurückkehren.
Roger kam für sich zu dem Schluss, dass eine gemeinsame Ankunft mit den Barbadiern nicht besonders ratsam sei, da sie sich in Iquitos der Willkür des Unternehmens ausgeliefert sähen. Es erschien ihm sinnvoller, dass sie an einem
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