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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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zwei Gerichtsdiener hereingetragen hatten, die Dinge hervor, die er in den Warenlagern der Peruvian Amazon Company in Putumayo erworben hatte. Anhand dieser Gebrauchsgegenstände erläuterte er, wie die indigenen Arbeitskräfte betrogen und zu lebenslangen Schuldnern gemacht würden, indem das Unternehmen ihnen auf Kredit Arbeits- und Haushaltsgerätschaften oder Sonstiges zu überteuerten Preisen verkaufe. Er hielt eine alte Flinte hoch, die in La Chorrera fünfundvierzig Schilling gekostet hatte. Für diese Summe musste ein Huitoto oder ein Bora zwei Jahre lang arbeiten, erhielte er den Lohn eines Straßenkehrers in Iquitos. Roger zeigte den Anwesenden grobe Leinenhemden, Drillichhosen, bunte Glasperlen, Pulverpäckchen, Pitahanfseile, Kreisel, Öllampen, Strohhüte und Salben, wozu er jeweils den von ihm bezahlten und den weitaus geringeren Preis ausrief, der in London dafür veranschlagt werden würde. Die Empörung der Parlamentier nahm noch zu, als Roger Fotografien herumgehen ließ, die er selbst in El Encanto, La Chorrera und den anderen Kautschukstationen gemacht hatte: von vernarbten Rücken und Hinterteilen mit dem eingebrannten »Markenzeichen Arana«, von angefressenen, im Gebüsch verwesenden Leichen, von abgemagerten Männern, Frauen und Kindern, die mächtige Kautschukwürste auf dem Kopftrugen, von den aufgequollenen Bäuchen der Neugeborenen, die nicht mehr lange zu leben hatten. Die Fotos legten unbestreitbares Zeugnis ab, dass dort halb verhungerte Wesen von raffgierigen Menschen misshandelt wurden, deren einziges Ziel darin bestand, mehr Kautschuk zu gewinnen, und sollten ganze Völker dabei an Auszehrung sterben.
    Auch die britischen Vorstände der Peruvian Amazon Company wurden vorgeladen. Ihre Anhörung wurde von dem langjährigen Parlamentarier Swift McNeill geleitet, der sie mit Scharfsinn bloßstellte. Wortgewandt legte er dar, dass so angesehene Geschäftsmänner wie Henry M. Read und John Russell Gubbins, Persönlichkeiten der Londoner Gesellschaft und Aristokraten wie John Lister-Kaye und Baron de Souza-Deira, offenbar keinen Schimmer hatten oder haben wollten, wie das Unternehmen Julio C. Arana operierte, an dessen Vorstandssitzungen sie teilnahmen und dessen Entscheidungen sie mittrugen, was ihnen beträchtliche Geldsummen einbrachte. Nicht einmal auf die Publikation der Artikel von Saldaña Roca und Hardenburg in der Zeitung Truth hin hätten sie sich bemüht, den Wahrheitsgehalt dieser Beschuldigungen zu überprüfen. Sie hätten sich mit den Gegendarstellungen begnügt, die Abel Larco oder Julio C. Arana selbst ihnen ausgehändigt hätten und in denen die Verfasser der Artikel als Erpresser bezichtigt würden, die dem Unternehmen bloß verübeln würden, dass es auf ihre Erpressungen nicht eingegangen sei. Keiner von ihnen habe auch nur den geringsten Versuch unternommen, herauszufinden, ob die Gesellschaft, der sie mit ihren Namen Prestige verliehen, diese Verbrechen nicht vielleicht doch begehe. Schlimmer noch, kein Einziger habe sich die Mühe gemacht, die Unterlagen des Unternehmens einzusehen, obwohl die Missetaten gewiss aus ihnen hervorgegangen wären. Denn so unwahrscheinlich es auch klingen mochte, hatten Julio C. Arana, Abel Larco und andere leitende Angestellte sich bis zum Ausbruch des Skandals so sicher gefühlt, dass sie in ihren Büchern etwaige Hinweise auf Ungerechtigkeiten gar nicht zu vertuschenversuchten; so ging aus ihnen beispielsweise hervor, dass die indigenen Arbeiter kein Gehalt bekamen und Unsummen für Peitschen, Revolver und Gewehre ausgegeben wurden.
    Besonders dramatisch gestaltete sich Julio C. Aranas Auftritt vor der Kommission. Seine Anhörung musste einmal verschoben werden, da seine Frau Eleonora in Genf einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, wohl infolge des rasanten Niedergangs, den die einst so glanzvolle Familie nun plötzlich erlitt. Arana betrat das Unterhaus elegant wie immer, wenn auch blass wie nach einem Malariaanfall. Er war umringt von Assistenten und Beratern, in den Sitzungssaal durfte ihn allerdings nur sein Anwalt begleiten. Anfangs zeigte er sich gelassen. Doch nach und nach verging ihm die Arroganz, und er sah sich von den Fragen, die Charles Roberts und der alte Swift McNeill ihm stellten, in die Enge gedrängt, verhedderte und widersprach sich, was sein Übersetzer nach Möglichkeit zu kaschieren versuchte. Es rief Gelächter im Publikum hervor, als der Kommissionsvorsitzende ihn fragte, warum es denn so viele Gewehre in den

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