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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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ihm auf eine Bank, von der aus sie den Teich überblickten, in dem sich Enten und Schwäne tummelten. Der Missionar berichtete von der harten Prüfung, die Putumayo für sie bedeutet hatte. Die Feindseligkeit der Behörden in Iquitos, die Aranas Unternehmenzu Befehl standen, hatte sie nicht verzagen lassen – sie konnten auf die Hilfe des Augustinerordens zählen  –, ebenso wenig die vielen Insektenstiche oder die Malariaanfälle. Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten gelang es ihnen, in der Umgebung von El Encanto eine Hütte nach dem Vorbild der Huitoto-Behausungen zu errichten. Die Indios hatten sich anfangs abweisend und argwöhnisch gezeigt, mit der Zeit gewannen sie jedoch ihr Vertrauen. Die vier Franziskaner machten sich daran, Huitoto und Bora zu lernen, und richteten eine einfache Kirche unter freiem Himmel ein, mit einem Dach aus Palmblättern über dem Altar. Doch plötzlich setzte die allgemeine Flucht ein. Vorgesetzte, Angestellte, Handwerker, Wächter, eingeborene Hausangestellte und Arbeiter zogen von dannen, wie von einer bösen Macht oder um sich greifenden Panik getrieben. Die vier Franziskaner blieben allein zurück, ihr tägliches Leben gestaltete sich von Tag zu Tag schwieriger. Als einer von ihnen, Pater McKey, an Beriberi erkrankte, beschlossen sie nach langen Überlegungen, ebenfalls diesen Ort zu verlassen, den Gott mit einem Fluch belegt zu haben schien.
    Die Rückreise der vier Missionare nahm homerische Ausmaße an. Wegen des jähen Endes der Kautschukexporte, der mit einem Mal verwaisten, sich selbst überlassenen Stationen, stellte die Peruvian Amazon Company , deren Schiffe, allen voran die Liberal , das einzige Transportmittel nach und aus Putumayo waren, ohne Vorankündigung den Verkehr über Nacht ein. Damit waren die vier Franziskaner völlig von der Welt abgeschnitten. Als der schwerkranke Pater McKey starb, beerdigten ihn seine Gefährten und versahen das Grab mit einer viersprachigen Inschrift auf Gälisch, Englisch, Spanisch und Huitoto. Dann vertrauten sie sich Gott an und brachen auf. Ein paar Indios fuhren sie in einem Kanu den Putumayo bis zu seiner Mündung in den Yavarí hinab. Sie kenterten während der langen Fahrt zweimal und erreichten jeweils schwimmend das Ufer. Am Yavarí kam einige Tage später endlich ein Schiff, das sie bis Manaus mitnahm, allerdings unterder Bedingung, dass sie keine Kabine in Anspruch nehmen würden. Sie schliefen an Deck, dem Regen ausgesetzt, worauf der Älteste von ihnen, Pater O’Nety, sich eine Lungenentzündung zuzog. Zwei Wochen später landeten sie in Manaus, wo sie in einem Franziskanerkloster aufgenommen wurden. Dort starb Pater O’Nety trotz aller Fürsorge, die seine Gefährten ihm angedeihen ließen. Sie setzten ihn auf dem Klosterfriedhof bei. Nachdem sich die beiden Überlebenden von diesen katastrophalen Ereignissen einigermaßen erholt hatten, kümmerte sich die britische Regierung um ihre Heimreise. Nun standen sie wieder den Industriearbeitern von Dublin bei.
    Roger saß noch eine lange Weile unter dem dichten Laubwerk der Bäume von St. Stephen’s Green. Er versuchte sich die riesige Region von Putumayo ohne Kautschukstationen vorzustellen, nach der Flucht der Angestellten, Wächter und Mörder des Unternehmens Arana. Mit geschlossenen Augen malte er sich aus, wie die üppige Natur mit Büschen, Lianen und Gestrüpp nach und nach die Kahlschläge und Lichtungen überwuchern würde und mit dem Nachwachsen des Dschungels die Tiere zurückkehren und sich ihre Unterschlüpfe einrichten würden. Überall Vogelgesang, das Pfeifen, Kreischen und Brüllen von Papageien, Hokkohühnern und Affen, Wasserschweinen und Jaguaren. Die Holzbauten würden im Regen vermodern, von Termiten zerfressen, Getier aller Art würde sich in ihnen einnisten. Binnen weniger Jahre würde nichts mehr von diesen Siedlungen übrig sein, in denen die menschliche Grausamkeit so unvorstellbares Leid angerichtet hatte, bald würde jede menschliche Spur vom Urwald ausgelöscht sein.

Irland

XIII
    Erschrocken und verwundert fuhr Roger aus dem Schlaf. Seine Nächte waren unruhig, und diese hatte ihm in einem beklemmenden Traum seinen Freund – oder vielmehr ehemaligen Freund – Herbert Ward gezeigt. Der Schauplatz war allerdings nicht Afrika gewesen, wo sie sich auf Henry Morton Stanleys Expedition kennengelernt hatten, noch Paris, wo Roger Herbert und Sarita mehrmals besucht hatte, sondern Dublin, das Dublin der Barrikaden, der Gefechte, des

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