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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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aufgeschlossen gegenüber seiner Idee, eine Brigade aus irischen Kriegsgefangenen zu formieren. Beide befürworteten den Plan, dass die deutsche Regierung eine Erklärung zugunsten der Unabhängigkeit Irlands abgeben sollte. Und am 20. November 1914 kam es auch tatsächlich zu einer solchen Erklärung, vielleicht nicht in der Deutlichkeit, die Roger sich erhofft hätte, aber unmissverständlich genug, um denen als Argument zu dienen, die wie er für ein Bündnis der irischen Nationalisten mit Deutschland eintraten. Doch trotz der Freude über diese Erklärung – er konnte das fraglos als seinen Erfolg verbuchen – und der Benachrichtigung durch den Staatssekretär für Äußere Angelegenheiten, die Oberste Heeresleitunghabe die Zusammenlegung der irischen Kriegsgefangenen in einem einzigen Lager angeordnet, wo er sie würde besuchen können, ahnte Roger langsam, dass die Wirklichkeit sich seinen Plänen nicht beugen, sondern eher ihr Scheitern herbeiführen würde.
    Der erste Hinweis darauf, dass die Dinge sich ungünstig entwickelten, war der einzige Brief von Alice Stopford Green, den er in den achtzehn Monaten erhielt – mit einem transatlantischen Umweg über New York, wo Umschlag und Empfänger ausgetauscht worden waren – und dem er entnahm, dass die britische Presse über seinen Aufenthalt in Berlin berichtet hatte. Das habe eine heftige Polemik unter den Nationalisten ausgelöst, die eine Allianz mit Deutschland entweder favorisierten oder eben ablehnten. Alice missbilligte sie, das schrieb sie ihm frei heraus. Und fügte hinzu, dass viele Befürworter der Unabhängigkeit ihre Überzeugung teilten. Man könne vielleicht, so Alice, eine neutrale irische Position vertreten, ein Bündnis mit Deutschland hingegen nicht, nein. Zehntausende Iren kämpften für Großbritannien. Was sollten diese seine Landsleute denken, wenn die sichtbarsten Akteure des irischen Nationalismus plötzlich gemeinsame Sache mit dem Feind machten, der sie in den belgischen Schützengräben unter Beschuss nahm?
    Alice’ Brief war ein Schlag. Dass der Mensch, den er am meisten bewunderte und dem er sich in politischen Fragen näher fühlte als irgendjemandem sonst, sein Handeln verurteilte und ihm das so unumwunden sagte, bestürzte ihn zutiefst. Von London aus stellte sich das Geschehen zweifellos anders dar als für ihn, aber sosehr er auch nach Rechtfertigungen suchte, konnte er nicht einfach darüber hinweggehen, dass seine Mentorin, seine Freundin und Lehrerin sein Tun missbilligte und die Meinung vertrat, er würde Irlands Sache eher schaden als nutzen. Von da stellte er sich ein ums andere Mal die unheilvolle Frage: »Und wenn Alice recht hat und ich mich geirrt habe?«
    Im November schickte ihn die deutsche Regierung andie Front nach Charleville, wo er mit den militärischen Befehlshabern den Plan der Irischen Brigade besprechen sollte. Roger sagte sich, dass sich seine Mitstreiter vielleicht umstimmen ließen, wenn es ihm gelänge, eine Streitkraft aufzustellen, die im Verbund mit der deutschen Armee für Irlands Unabhängigkeit kämpfen würde. Dann müssten sie einsehen, dass Sentimentalitäten in der Politik nichts zu suchen hatten, dass Irlands eigentlicher Feind England war und die Feinde des Feindes Freunde waren. Die kurze Reise empfand er als produktiv. Die in Belgien stationierten hohen deutschen Offiziere zeigten sich siegessicher. Die Idee einer Irischen Brigade wurde allseits begrüßt. Vom Krieg selbst bekam er nicht viel mit, außer den Truppenbewegungen auf den Landstraßen, den Lazaretten in den Dörfern, den gefangenen Soldaten, die in langen Reihen fortgeführt wurden, den Kanonenschüssen in der Ferne. Zurück in Berlin erwartete ihn eine gute Nachricht: Auf sein Gesuch hin hatte der Vatikan beschlossen, zwei Priester in das Lager zu schicken, in dem die irischen Gefangenen zusammengelegt wurden, den Augustinermönch Pater O’Gorman und den Dominikanermönch Pater Crotty. O’Gorman würde zwei Monate bleiben, Crotty so lange wie nötig.
    Und wenn Roger Pater Crotty nicht kennengelernt hätte? Dann hätte er jenen schrecklichen Winter 1914-15 womöglich nicht überlebt, in dem ganz Deutschland, vor allem Berlin, von Schneestürmen gepeitscht wurde, Straßen und Wege unbefahrbar waren, orkanartige Winde Büsche entwurzelten, Vordächer abrissen und Fensterfronten zerbarsten und die Temperaturen auf bis zu zwanzig Grad unter Null sanken, während man wegen der Kriegsmängel kaum Heizmaterial hatte.
    Rogers

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