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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Widerspruch. Er fand nichts. Und so versuchte er sich mit der Erklärung zu beruhigen, dass das Ganze eine Erfindung puritanischer deutscher Aristokraten war, die sie, weil sie den Verdacht hatten, Rogers Verhältnis zu Eivind könnte mehr als nur freundschaftlicher Natur sein, auseinanderbringen wollten. Doch die Zweifel ließen sich nicht abschütteln und verursachten Roger schlaflose Nächte. Als er erfuhr, dass Eivind von Norwegen aus in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, ohne noch einmal in Deutschland Station gemacht zu haben, fühlte er sich erleichtert.
    Am 20. April 1915 traf der junge Joseph Plunkett als Abgesandter der Volunteers und der Irish Revolutionary Brothers in Berlin ein. Er war auf einer abenteuerlichen Route quer durch Europa angereist, um den britischen Geheimdienst an der Nase herumzuführen. Wie hatte er sich mit seiner schwachen Konstitution auf eine so beschwerliche Unternehmung einlassen können? Er war gerade erst siebenundzwanzig Jahre alt, aber von Polio verkrüppelt, mager bis auf die Knochen, und die Tuberkulose zehrte ihn langsam auf. Als Sohn des wohlhabenden Grafen und Direktors des Nationalmuseums von Dublin, George Noble Plunkett, sprach Joseph ein aristokratisches Englisch. Dagegen kleidete er sich ohne jede Sorgfalt, seine Hosen waren ausgebeult, das Jackett war ihm zu groß, auf dem Kopf trug er stets einen übergroßen Hut. Doch man vergaß den grotesken Aufzug und den gebrechlichen Körper, sobald er begann, seine Ideen zu formulieren, was er ausgesprochen scharfsinnig tat und wobei er eine immense Bildung demonstrierte und sich voller Kampfbereitschaft undHingabe für die irische Sache einsetzte, was Roger schon früher beeindruckt hatte. Der zutiefst gläubige Plunkett schrieb mystische Gedichte und rezitierte gelegentlich spanische Verse von Johannes vom Kreuz und Teresa von Ávila. Wie Pearse hatte auch er sich früh zur radikalen Strömung innerhalb der Volunteers bekannt. Allerdings war es Roger, wenn er Pearse und Plunkett reden hörte, oft so vorgekommen, als würden die beiden im Grunde das Martyrium suchen, so überzeugt schienen sie, allein durch heroische Todesverachtung, wie die großen Helden der irischen Geschichte, von Cú Chulainn, Fionn mac Cumailh und Owen Roe O’Neill bis hin zu Wolfe Tone und Robert Emmet, sie immer wieder gezeigt hatten, allein durch ihren eigenen Tod, nach dem Vorbild der frühen christlichen Märtyrer, das Volk davon überzeugen zu können, dass die Freiheit sich einzig mit Waffengewalt erkämpfen lasse. Dass ein solches Opfer der Söhne Éires nötig sei, um ein befreites Land zu schaffen, in dem Gesetz, Christentum und Gerechtigkeit herrschen würden. Die leicht exzentrische Romantik von Plunkett und Pearse hatte Roger früher bisweilen befremdet. Jetzt aber, in der frühlingshaften Atmosphäre der blühenden Gärten und Parks von Berlin, bewegten Roger die Worte des soeben eingetroffenen Iren, und er wünschte sich, er hätte recht.
    Plunkett brachte aufregende Nachrichten aus Irland mit. Die kriegsbedingte Spaltung innerhalb der Volunteers habe zu einer entscheidenden Klärung geführt, sagte er. Eine breite Mehrheit folge zwar weiterhin John Redmond, der den Anschluss an Großbritannien und die britische Armee befürworte, doch die den ursprünglichen Volunteers loyale Minderheit könne inzwischen auf Tausende von kampfwilligen Sympathisanten zählen, ein wahres Heer, das vereint und geschlossen ein klares Ziel vor Augen habe und bereit sei, für Irland zu sterben. Es gebe eine enge Zusammenarbeit zwischen den Volunteers und der Irish Revolutionary Brotherhood sowie der Bürgerarmee, der von Marxisten und Gewerkschaftlern wie Jim Larkin und James Connolly geschaffenen Volksarmeeund Arthur Griffiths Sinn Féin . Sogar Sean O’Casey, der die Volunteers einst scharf angegriffen und »bürgerliche Muttersöhnchen« genannt hatte, heiße dieses Zusammenwirken nun gut. Das provisorische Komitee unter der Führung von Clarke, Pearse, MacDonagh und anderen arbeite Tag und Nacht an den Vorbereitungen zu einer bewaffneten Erhebung. Die Umstände seien günstig. Der Krieg in Europa habe eine einzigartige Gelegenheit geschaffen. Deutschlands Hilfe sei unverzichtbar. Es müsse Irland fünfzigtausend Gewehre liefern, vor allem aber die von der Royal Navy okkupierten irischen Häfen angreifen. Die gemeinsame Aktion könne womöglich einen deutschen Sieg herbeiführen. Irland würde dann endlich unabhängig und frei sein.
    Plunkett

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