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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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sprach Roger aus dem Herzen. Auch Roger beharrte ja seit langem darauf, ein Angriff der deutschen Marine und Streitkräfte auf England sei absolute Bedingung für eine Erhebung in Irland. Ohne eine solche Abstimmung würde eine irische Rebellion zwangsläufig scheitern.
    »Dabei vergessen Sie eines, Sir Roger«, unterbrach ihn Plunkett, als sie darüber diskutierten, »etwas, das wichtiger ist als Waffenstärke und Anzahl der Soldaten: die Mystik. Und die tragen wir in uns. Den Engländern fehlt sie.«
    Sie befanden sich in einer halbleeren Wirtschaft. Roger trank Bier, Joseph Limonade. Sie rauchten. Plunkett erzählte ihm, dass Larkfield Manor, sein Haus im Dubliner Viertel Kimmage, als Waffenlager und Schmiede diene, Granaten, Bomben, Bajonette und Piken würden dort hergestellt und Flaggen genäht. Plunketts Gebaren war überspannt, momentweise wirkte er wie in Trance. Außerdem berichtete er, das provisorische Komitee habe beschlossen, die Pläne für den Aufstand vor Eoin MacNeill geheim zu halten. Roger stutzte. Warum sollte eine solche Entscheidung dem Gründer und Präsidenten der Volunteers verschwiegen werden?
    »Wir alle respektieren ihn, niemand stellt Professor MacNeills Patriotismus und Integrität in Frage«, erklärte Plunkett. »Aber er ist zu weich. Er glaubt an die Kraft vonArgumenten und an friedliche Mittel. Er wird informiert werden, wenn es zu spät ist, um den Aufstand noch zu verhindern. Dann wird er sich uns ganz ohne Zweifel anschließen.«
    Roger und Joseph arbeiteten die Einzelheiten der Erhebung in einem zweiunddreißigseitigen Plan aus, den sie dem Auswärtigen Amt und der Obersten Heeresleitung präsentierten. Aus dem Plan ging hervor, dass die britischen Streitkräfte in Irland in kleine Garnisonen zerstreut und insofern leicht einzunehmen waren. Die deutschen Diplomaten, Beamten und Offiziere hörten beeindruckt dem verkrüppelten, schlecht gekleideten jungen Mann zu, der sich zu verwandeln schien, sobald er den Mund aufmachte und mit messerscharfer Logik darlegte, wie vorteilhaft ein Zusammenspiel von nationalistischer Revolution und deutscher Invasion sei. Vor allem die des Englischen mächtigen Deutschen folgten gebannt Plunketts geschmeidiger, bisweilen aufbrausend überbordender Rhetorik. Doch selbst diejenigen, die kein Englisch verstanden und auf die Übersetzung durch den Dolmetscher angewiesen waren, betrachteten verblüfft die Vehemenz, mit der dieser unansehnliche Gesandte der irischen Nationalisten sprach und gestikulierte.
    Die Deutschen hörten ihnen zu, notierten, worum Joseph und Roger sie baten, gaben jedoch keine definitive Antwort, weder was die Invasion betraf noch die fünfzigtausend Gewehre mitsamt Munition. All das würde man im Rahmen der allgemeinen Kriegsstrategie entscheiden. Das Kaiserreich billige die legitimen Bestrebungen des irischen Volkes und habe die Absicht, diese Bestrebungen zu unterstützen – weiter verpflichtete man sich nicht.
    Joseph Plunkett blieb fast zwei Monate in Deutschland, wo er wie Roger sehr bescheiden lebte, und brach am 20. Juni in die Schweiz auf, um von dort über Italien und Spanien nach Irland zurückzureisen. Dass der Irischen Brigade nur so wenige Freiwillige beigetreten waren, bekümmerte den jungen Dichter nicht. Überhaupt konnte er dieser Truppe nur wenig abgewinnen. Weshalb?
    »Um in der Brigade zu dienen, müssen die Gefangenen den Treueschwur brechen, den sie der britischen Armee geleistet haben«, sagte Joseph zu Roger. »Ich war immer dagegen, dass die Unsrigen sich in die Armee des Besatzers einziehen lassen. Aber wenn es nun einmal geschehen ist, können sie ihren vor Gott geleisteten Eid nicht brechen, ohne dabei zu sündigen und unehrenhaft zu handeln.«
    Pater Crotty war während dieses Gesprächs zugegen, äußerte sich jedoch nicht. Den ganzen Nachmittag, den sie zu dritt verbrachten, hörte er, stumm wie eine Sphinx, dem Dichter zu, der die Unterhaltung beinahe allein bestritt. Später erst sagte er zu Roger:
    »Dieser Junge ist zweifellos außergewöhnlich, was seine Intelligenz und seinen bedingungslosen Einsatz betrifft. Sein Glaubensverständnis ist das der frühen Christen, die bei den römischen Circusspielen von Löwen zerfleischt wurden. Und das der Kreuzritter, die Jerusalem zurückerobert und dabei alle Juden und Mohammedaner niedergemetzelt haben, die ihnen in den Weg kamen, Frauen und Kinder eingeschlossen. Ebendiese Inbrunst, diese Verherrlichung von Blut und Krieg ist an ihm spürbar. Doch

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