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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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eine französische Mütze und Schuhe mit weißen Galoschen. Dann nahm er ihn zum Mittagessen mit ins Eiffel Tower Restaurant, Treffpunkt von Intellektuellen und Künstlern. Das waren seine einzigen Zerstreuungen in diesen Tagen.
    Gleich nach der Ankunft hatte er beim Foreign Office um Erlaubnis für eine Unterredung mit Morel gebeten, unter dem Vorwand, er wolle mit dem Journalisten einige Informationen abgleichen. Am 9. Dezember wurde ihm die Genehmigung erteilt. Am nächsten Tag begegneten sich Roger Casement und Edmund D. Morel zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Statt sich die Hände zu schütteln, umarmten sie einander. Sie unterhielten sich lange, aßen dann gemeinsam im Comedy zu Abend und setzten ihre Zusammenkunft in Rogers Wohnung in Philbeach Gardens fort, wo sie Cognac tranken, rauchten und weiter redeten, bis der neue Tag anbrach. Sie hatten zwölf Stunden ununterbrochen diskutiert. Beidesollten später sagen, dass diese Begegnung die wichtigste ihres ganzen Lebens gewesen sei.
    Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können. Roger war groß und schlank, Morel klein und stämmig. Roger kam es immer vor, als wären die Anzüge seines Freundes etwas zu knapp geschnitten. Roger war inzwischen neununddreißig, doch trotz der Spuren, die tropisches Klima und Malariaanfälle hinterlassen hatten, wirkte er, womöglich wegen seiner akkuraten Kleidung, jünger als der gerade erst zweiunddreißigjährige Morel, der einmal gut ausgesehen hatte, jedoch früh gealtert war und bereits etliche graue Strähnen in seinem kurz geschnittenen Haar und seinem Walrossbart hatte, über dem seine leicht hervorstehenden Augen funkelten. Dennoch verstanden sie, liebten sie einander – das Wort wäre ihnen nicht übertrieben vorgekommen – vom ersten Augenblick an.
    Worüber sprachen sie während dieser zwölf Stunden? Viel über Afrika, natürlich, aber auch über ihre Familien, ihre Kindheit, ihre Träume, jugendlichen Ideale und Sehnsüchte und wie der Kongo, ohne dass sie es sich vorgenommen hätten, zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden war und sie zutiefst verändert hatte. Roger war verblüfft, dass jemand, der noch nie dort gewesen war, dieses Land so gut kannte. Die Geografie, Geschichte, Menschen, Probleme. Gebannt lauschte Roger Morels Erzählungen: Wie er viele Jahre zuvor als kleiner Angestellter ebenfalls der Elder Dempster Line , für die er im Hafen von Antwerpen Buch über die Schiffe führte und die Ladungen überprüfte, argwöhnisch wurde, als er merkte, dass der vermeintlich freie Handel, den Seine Majestät, Leopold II., zwischen Europa und dem Kongo-Freistaat etabliert hatte, nicht nur sehr einseitig, sondern tatsächlich eine regelrechte Farce war. Was für eine Art von Freihandel sollte das sein, wenn die aus dem Kongo eintreffenden Schiffe tonnenweise Kautschuk und Unmengen von Elfenbein, Palmöl, Bodenschätzen und Tierfellen brachten, für die Rückfahrt aber nur Gewehre, Nilpferdpeitschen und Kisten mit Glasperlen an Bord nahmen?
    Und so begann Morel, sich für den Kongo zu interessieren, nachzuforschen, abfahrende und rückkehrende Kaufleute, Funktionäre, Reisende, Pastoren, Priester, Abenteurer, Soldaten und Polizisten zu befragen und alles zu lesen, was ihm über dieses riesige Land in die Hände kam, dessen Missstände er mit der Zeit so genau kennenlernte, als hätte er selbst Dutzende von Inspektionsreisen zum Mittel- und Oberlauf des Kongos unternommen. Ohne bei der Schifffahrtskompanie gekündigt zu haben, schrieb er Briefe und Artikel für belgische und englische Zeitungen und Magazine, anfangs unter Pseudonym, später unter seinem richtigen Namen, in denen er die Ergebnisse seiner Nachforschungen publik machte und mit Fakten und Zeugenberichten das idyllische Kongobild widerlegte, das die im Dienst von Leopold II. stehenden Schreiberlinge der Welt vermittelten. Viele Jahre brachte er nun schon damit zu, Artikel, Broschüren und Bücher zu verfassen, er sprach in Kirchen, Kultureinrichtungen, auf politischen Veranstaltungen. Seine Kampagne zeigte Wirkung. Er hatte inzwischen viele Gefolgsleute. ›Auch das ist Europa‹, dachte Roger an jenem 10. Dezember. Nicht nur die Kolonialisten, Polizisten und Kriminellen, die wir nach Afrika schicken. Europa ist auch der unbestechliche Geist eines Edmund D. Morel.
    Sie sahen sich von da an häufig und setzten die Gespräche fort, in denen sie beide vollkommen aufgingen. Sie gaben einander neckische Spitznamen: Roger war Tiger und Edmund

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