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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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dass er Miritas Mutter noch gar nicht gesehen hatte. » Wo ist sie?«
    Mirita zuckte die Achseln. » Sie hat Freunde gefunden. Einen speziellen, glaube ich. Ihr tut es gut, ein Schatten zu sein. Seit sie ihre anfängliche Depression überwunden hat, ist sie kaum wiederzuerkennen. Sie hat keine Scheu, mit Fremden zu reden, dabei war sie früher so schüchtern. Sie fängt Gespräche an, zieht sich hübsch an, geht sogar auf Kununs Bälle, und ich kann dir versichern, sie macht dabei eine überraschend gute Figur.«
    Mattim dachte an Hanna und ihre auffallende Erscheinung an jenem Festabend, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Tatsächlich hatte sie etwas Strahlendes an sich gehabt– nein, strahlend war das falsche Wort. Eine dunkle Ausstrahlung. Erwachsener, damenhafter. Er konnte das Wort, nach dem er suchte, nicht fassen. Er wusste ja nicht einmal, ob es gut oder schlecht war. Und dann die Entführung der Königin, die Fahrt nach Jaschbiniad– woher nahm Hanna nur den Mut dazu? Nicht dass sie jemals feige gewesen wäre, aber vor Kunun hatte sie sich auf eine Weise gefürchtet, die viel tiefer ging als jede andere Furcht. Sie hatte sich regelrecht vor ihm gegruselt. Offenbar hatte ihr die Verwandlung in einen Schatten auf eine Weise gutgetan, die Kunun nicht hatte voraussehen können. Sie glaubte zwar, ihn zu lieben, hatte jedoch keinerlei Scheu davor, ihm zu trotzen. Hanna hatte den Mut in sich gefunden zu tun, was sie wollte, so wie Atschorek.
    Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er Hanna mit seiner unberechenbaren Schwester verglich.
    » Und du?«, fragte er. » Was hat es mit dir gemacht?«
    Mirita schwieg. Nachdenklich sah sie zu, wie er das Wasser trank. » Warum leuchtest du nicht?«
    » Wie bitte?«
    » Warum ist Akink nicht hell, wenn du hier bist? Du bist der Prinz des Lichts, also wo ist das Licht? Es sollte nicht so dunkel sein, wenn jemand wie du sich in Magyria aufhält.«
    » Ich brauche Hanna dafür. Sie ist meine Lichtprinzessin.«
    » Was?« Mirita starrte ihn an, sichtlich erschrocken. » Aber… ich dachte, du brauchst sie nicht mehr, ich dachte, es wäre sowieso sinnlos. Dass es sich nicht lohnt zu kämpfen. Ich dachte… oh beim Licht!« Sie wandte sich ab, rang um Fassung.
    Er beobachtete sie und ließ sich nicht anmerken, was er dachte. Also hatte sie ihren Teil dazu beigetragen, Hanna in einen Schatten zu verwandeln. Hatte sie es in dem Glauben getan, dass sich sowieso nichts mehr änderte?
    » Könntet ihr beide nicht schnell ein Lichtkind zeugen?«
    » Nicht du auch noch«, stöhnte er.
    » Wieso? Das war meine beste Idee, um Akink zu retten.«
    Seine Wangen röteten sich. » Tja, da Hanna mich vergessen hat, steht das nicht zur Debatte.«
    » Niemand anders kommt in Frage, nur die Richtige. Das weiß ich doch. Außerdem, wenn Magyria weiter in dieser Geschwindigkeit zerfällt, haben wir sowieso keine Zeit, auf die Geburt des Babys zu warten.«
    Elira konnte Farank nicht verwandeln, Mattim konnte Hanna nicht verwandeln, und sie würden auch kein Kind haben. Er kannte Hanna. Möglicherweise stand sie auf ihn– vielleicht, hoffentlich, eventuell–, aber so schnell würde sie sich nicht verführen lassen. Er brauchte beides, und zwar so rasch wie möglich: eine größere Armee und das Licht, nur woher sollte es kommen?
    » Ja«, sagte er leise. » Wir haben keine neun Monate. Es wäre vielversprechender, ein anderes Lichtkind zu suchen.«
    » Was für ein anderes?«
    Hoffnung ist wie ein Angelhaken. Er spürte den scharfen Stich dieses Hakens, der ihn durchs Wasser schleifte, auf ein Ziel zu, das nur böse enden konnte.
    » Kunun hat hundert Jahre in Budapest gelebt.«
    » Du glaubst, Kunun…?« Ihre Augen wurden groß. » Er könnte ein Kind haben?«
    » Ich glaube gar nichts. Allerdings könnte es nicht schaden, in dieser Richtung weiterzuforschen, denke ich.«
    » In Kunun ist aber kein einziger Funken Licht«, wandte Mirita ein.
    » Das scheint mir auch so«, gab Mattim zu. » Doch vielleicht irren wir uns da. Außerdem, wer weiß schon, wie er am Anfang war? Jung und verzweifelt. Er wollte nichts so sehr wie die Rückkehr nach Akink, und ausgerechnet das wurde ihm als Einziges verwehrt. Er war der Leuchtendste von allen, vor seiner Verwandlung in einen Schatten. Ein Prinz wie die Sonne, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf. Und ein Jahrhundert ist eine lange Zeit. Vielleicht hat er irgendwann einmal die Richtige getroffen, als er noch zur Liebe fähig war.«
    »

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