Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
aufmüpfigen Bruder auf einem Silbertablett serviert, und wofür? Damit Hanna und Kunun zusammen sein konnten?
    Was sie auch unternahm, es würde ihr Kunun nicht wiedergeben, da hatte Atschorek recht. Doch ihn zu vernichten– das konnte durchaus gelingen.
    » Ich spüre Hannas Glück«, sagte Réka. » Ich weiß, in wen sie verliebt ist, und es ist nicht Kunun.«
    Atschorek schnellte aus ihrem Sessel hoch und warf dabei das Tablett mit den Wassergläsern um. Die alte Gewohnheit, Gäste zu bewirten, ließ sich anscheinend nicht ausrotten, nicht einmal unter Schatten.
    » Was? Woher weißt du das?« Ihre Hand schnellte vor und legte sich mit hartem Klammergriff um Rékas Kehle.
    Das Mädchen ächzte vor Schmerz, dann hörte es auf zu atmen und erwiderte den scharfen Blick der Schattenprinzessin mit einem trotzigen Funkeln.
    » Sie liebt Mattim«, sagte Réka. » Ich kann es spüren. Es ist, als wären wir Zwillinge. Als träumten wir denselben Traum.«
    Zu Rékas Überraschung begann Atschorek leise zu lachen. » Hanna und Mattim. Hanna im Glück. Wie lange geht das schon so?«
    » Ich weiß es nicht. Die Sache ist nicht so klar, wie es sich anhört. Sie war sich lange unsicher. Das Gefühl in ihr wächst, und erst seit kurzem ist es stark genug, dass ich es mit Gewissheit sagen kann.«
    » Du spürst also ihr Glück.« Atschorek verengte die Augen, während sie nachdachte. » Und Kunun? Er macht sie nicht glücklich?«
    Davon träumst du wohl, Kunun, dass du irgendjemanden glücklich machen könntest.
    » Darf ich es ihm persönlich sagen?«
    » Du glaubst, dies sei eine gute Botschaft? Das glaubst du wirklich?«
    Atschorek starrte Réka eine Weile an, dann packte sie das Mädchen am Handgelenk und zerrte es aus dem Raum.
    » Wohin gehen wir?«, jammerte Réka. » Was soll das?«
    » Still!«, befahl Atschorek. » Wir gehen nach Akink. Hier ist die nächste Pforte.«
    Réka fühlte sich wie in Trance, während sie durch die dunklen Straßen marschierten und Atschorek mit raschen, entschlossenen Schritten vorausging. Die Wächter an der Burg grüßten die Prinzessin ehrerbietig. Drinnen fand ein Fest stand, Musik füllte die Räume. Atschorek ging immer schneller, und als sie endlich die langen, stillen Flure der Burg erreicht hatten, rannte sie fast und schleifte das Mädchen hinter sich her. Die Hand der Schattenprinzessin umfing Rékas Gelenk wie eine stählerne Klammer.
    Atschorek stürmte in Kununs Salon. Im ersten Moment dachte Réka, er sei gar nicht da. Bestimmt tanzte er auf seinem eigenen Fest. Es war völlig finster im Zimmer, finster und still, und sie wollte schon erleichtert aufatmen, als sie seine Stimme hörte.
    » Was willst du?«
    Atschorek ließ Réka los. Etwas ratschte, ein Zündhölzchen flammte auf, die Öllampe flackerte leicht und begann mit einem leisen Zischen zu brennen.
    Kunun saß in einem Sessel am Fenster. Réka fragte sich, warum, denn draußen war absolut gar nichts zu sehen. Hatte er im Sitzen geschlafen? Er beschattete seine geröteten Augen mit der Hand. Heute trug er keine Handschuhe.
    » Was soll das?«, knurrte er.
    » Hanna und Mattim sind wieder zusammen«, sagte Atschorek und versetzte Réka dabei einen Stoß, auf Kunun zu.
    Sie fing sich gerade noch ab, bevor sie gegen den Sessel stürzte, und stand dann vor ihm, klein und verzagt. Allein der Hass verlieh ihr die Kraft, seinem finsteren Blick standzuhalten. Sie war wie eine Hülle, papierdünn, in der die Flamme des Zorns brannte. Hanna liebt dich nicht!, wollte sie ihm entgegenschmettern, aber sein Schweigen war tief und dunkel, und Réka wagte es nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben.
    » Das kann nicht sein«, sagte Kunun. » Das ist sogar völlig unmöglich. Hanna kann sich an nichts erinnern, unwiderruflich. Ich habe Mattim aus ihrem Leben gelöscht. Selbst wenn man es ihr sagte, würde sie es nicht glauben. Nicht glauben können. Der Gedanke würde ihr so absurd vorkommen, als wenn ich dir sagen würde, dass du deine Kindheit auf dem Mond verbracht hast.«
    » Ach, Kunun«, meinte Atschorek, ihre dunklen Augen wie erloschene Sterne.
    » Sie liebt Mattim«, versuchte Réka es noch einmal. Der Satz sollte wie ein Dolchstoß in seine Brust dringen und ihn vernichten. Stattdessen verpuffte die Nachricht wie eine Silvesterrakete, die man anzündete und die trotzdem nicht losging.
    » Ich dulde es nicht, dass du so über meine Braut redest«, sagte er. » Hinaus mit dir. Deine Verdächtigungen kannst du dir sparen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher